THE END

Wieder einmal neigt sich eine wunderschöne Reise dem unausweichlichen Ende. Und wieder einmal stehen wir an einem wunderschönen Plätzchen, heute mit atemberaubender Aussicht auf die Schären. Gestern Abend tauchte die Sonne langsam ab ins Meer, heute Morgen schiebt sie sich Zentimeter für Zentimeter hinter unserem Rücken wieder empor. Der Schnee ist hier bereits restlos geschmolzen. Liegen die Nachttemperaturen noch im niedrigen Frostbereich, ist es tagsüber frostfrei und in der Sonne angenehm mild. Nur mit der Stille hapert es hier. Wir stehen südlich von Göteborg, hier ist die Bevölkerungsdichte wieder eine ganz andere.

 Wir zwei sind unser ganz persönliches Dreamteam beim Reisen. Herbert fährt mit unendlicher Gelassenheit sicher Kilometer für Kilometer und ich navigiere zielgenau. Eigentlich fast wie im richtigen Leben ;-). Meine Versuche, selber zu fahren, habe ich begraben. Ich weiß, dass ich unser Wohnmobil, wenn es sein muss, überall hinbekomme, denn ich kann es fahren, so ist es ja nicht. Doch mir fehlt die Entspannung dabei. Naja und Herberts Stärke ist es nun mal nicht, mir punktgenau die Navigationsanweisungen zu geben, die ich als Fahrerin gerne hätte. Muss er aber auch nicht, wozu? Kann doch jeder von uns das machen, was er gut kann und vor allem lieber macht. Und so ist es unser morgendlicher Rhythmus, das einer das Frühstück macht, der andere eine Hunderunde dreht. Zum Müsli gibt es eine Runde Podcast „Gabor Steingards Morning Briefing“. Motor starten, aufräumen, alle Schränke schließen, damit nicht wieder Becher durch die Gegend fliegen, Trinkpullen füllen, Landkarte, Handy greifen und ab geht es nach vorne, Herbert nach links und ich nach rechts. Paula folgt uns, rollt sich in der Mitte zwischen uns ein und macht ihren Schönheitsschlaf.

Hundeparkplatz

Hunde dürfen nicht mit auf die Holzstege.

Aber …

irgendwo müssen sie ja bleiben, wenn Frauchen auf der Morgenrunde kurz zum Frühschwimmen geht.

 Seit vorgestern krabbeln wir etwas gequält ins Fahrerhaus. Rund 250 Kilometer weiter nördlich von Göteborg hatten wir ein schönes Plätzchen mitten im Wald auf einem Wanderparkplatz (Brattfallet) gefunden. Der Schnee war noch nicht ganz geschmolzen und an einigen Stellen einer Eisfläche gewichen. Zwei Wanderungen waren ausgeschildert und nachdem wir kurz nach unserer Ankunft die kürzere der beiden Runden als Abendrunde gemacht hatten, entschieden wir, die längere noch als gemeinsame Morgenrunde zu machen. Komoot bezeichnete beide Wanderungen als leicht, doch die Morgenrunde hatte es in sich. Die Angaben auf Komoot haben sich natürlich auf sommerliche Bedingungen und nicht auf noch mit Schneeresten und später dann stellenweise vereisten Pfaden bezogen.

 Im Ergebnis haben wir für die gut 6 Kilometer nicht eineinhalb Stunden sondern knapp drei gebraucht. Wir haben uns für unsere Naivität verflucht und über uns gelacht, wenn wir hilflos am Hang hingen und das Eis uns keinen Halt bot, und wir haben Paula beneidet, die auf ihren vier Pfoten überall ihren Weg fand. Die Kochen sind heile geblieben, ein paar blaue Flecken, eine Beule und schmerzende Muskeln haben wir zur Erinnerung für die nächsten Tage und den restlichen Weg nach Hause mitgenommen. Trotz alledem, es war eine herrliche Wanderung und wir hatten unseren Spaß.

Beim Schreiben dieser Zeilen habe ich im Internet nochmal nachgelesen, wie der Ort hieß, an dem wir gewandert sind. Dabei habe ich durch Zufall eine schwedische Seite mit Wanderempfehlungen gefunden. Dort findet sich folgender Hinweis für die beiden Routen, die wir dort gegangen sind:

Haldågen bei Brattfallet

Länge: 6,8 km

Zeit: 4 Std.

Stufe: Schwierig

Hinweis: Der Weg ist ab 15.Mai geöffnet

 Gut, dass wir das vorher nicht gelesen haben, vermutlich wären wir nicht gegangen und das wäre schade gewesen.

Die Strecke Göteborg – Malmö – Kopenhagen – Rødbyhavn – Puttgarden - Hamburg Moringen fahren wir innerhalb von drei Tagen. Kurz vor Hamburg übernachten wir in einem Waldstück bei Stapelfeld. Gegen Morgen werden wir von einem Vogelkonzert geweckt, wie wir es lange nicht mehr gehört haben. Innerhalb von fünf Tagen rollen wir von tiefstem Winter in sonnigen Frühling.

Hinter uns liegen rund sieben Wochen Winter vom Feinsten und wenn es in unserer Hand liegt, nicht das letzte Mal. Kein Matsch, kein nass-kaltes Gruselwetter, das einem in die Knochen kriecht, sondern ausschließlich frische, klare, kalte, trockene Luft und überraschend häufig Sonne.

Übrigens: Auf der Abfahrt Northeim Nord zeigte der Kilometerzähler genau 7.000 km und 135 h reine Fahrzeit an.

- Ende -

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Hundeschlittenrennen

In Särna angekommen orientieren wir uns eine Runde auf dem Campingplatzgelände, auf dem die Veranstaltung ihren Hauptsitz hat. Einige Teams haben hier Quartier bezogen und wohnen in kleinen Blockhäuschen, ihrem Camper oder im Zelt. Der Platz liegt direkt an einem großen See, auf dem die Rennen starten. Für die übrigen Reisenden ist der Campingplatz derweil gesperrt und so ziehen wir uns für die Nacht auf den Parkplatz eines geschlossenen Museums zurück.

Insgesamt gehen rund 80 Teams an den Start, verteilt auf drei Starttage (Mo, Di, Mi) und verschiedene Kategorien. Der Unterschied liegt in der Länge der Strecke, ob 160 oder 300 Kilometer, in der Anzahl der Hunde (2, 4, 8, 12) und in der Hunderasse. Das Besondere an dem Wettkampf in diesem Jahr ist, dass es erstmals eine Kategorie gibt, in der es egal ist, welcher Rasse die Hunde angehören. Einige Wettkämpfe gehören zur Kategorie der Weltmeisterschaft.

Montag gehen die sog. Nordic Gruppen an den Start. In dieser Gruppe ist die Hunderasse egal. Zwei oder vier Hunde ziehen einen Schlitten, auf dem das Gepäck verstaut ist und der sog. Musher, wie die Fahrer der Schlitten genannt werden, folgt dem Schlitten auf Langlaufskiern. Das nenne ich mal einen Marathon.

Am Sonntag beobachten wir Veterinär-Teams und die Rennleitung auf dem Gelände. Beide Einheiten besuchen jeden Teilnehmer, der am Folgetag startet, an seinem Platz. Die Hunde werden intensiv untersucht, abgehört, die Mikrochips abgeglichen, die Gelenke abgetastet.

Die Rennleitung untersucht derweil das Begleitgepäck. Wir beobachten, wie gerade ein junger Norweger an der Reihe ist. Alles Mögliche muss er vorzeigen und auspacken. Nachdem die Rennleitung zum Nächsten weiter gezogen ist, sprechen wir ihn an und stellen ihm neugierig unsere Fragen.

Er hat die Startnummer 6 und ist mit seinen zwei Hunden für die 300 km Nordic gemeldet. Es gibt klare Vorschriften, was als Minimalausstattung dabei sein muss. Jeder Fahrer muss sich und seine Hunde während des Rennens komplett alleine versorgen und somit alles dabei haben. Außerdem muss er darüber hinaus sowohl für sich als auch für seine Hunde Notproviant für weitere 24 Stunden auf dem Schlitten haben. Dieses Notgepäck muss beim Zieleinlauf Original verpackt vorgezeigt werden.

Auf dem Schlitten muss jeder Teilnehmer Zelt, Isomatte, Schlafsack, Lebensmittel, Kocher, Hundefutter, Kompass, bestimmte Karten der Region, Messer und so einiges mehr transportieren. Er darf einen sog. Stationsbeutel abgeben, der von der Rennleitung zum ersten Zwischenstopp transportiert wird. In dem Beutel befindet sich z.B. weiteres Futter für die Hunde. Es ist nämlich so, dass es auf der Distanz von 300 km zwei Pflichtstopps gibt. Nach 85 und nach 150 Kilometern müssen die Hunde eine Pause von vier bzw. sechs Stunden einlegen. Dabei werden sie beim Eintreffen und vor dem Verlassen der Station tierärztlich untersucht. Natürlich kann man auch mehr Pausen einlegen, das ist komplett individuell.

Jeder Teilnehmer trägt während des Wettkampfes einen Sender bei sich und kann so von jedermann verfolgt werden. Reißt der Kontakt zu einem Teilnehmer ab, so wird erst nach Ablauf von 24 Stunden mit der Suche begonnen. Betritt ein Fahrer oder ein Hund während des Wettkampfes ein Auto/Wohnmobil/Haus wird er disqualifiziert. Wir werden ihn in den nächsten Tagen via Internet tracken und seinen Lauf verfolgen.

Die Rennen starten auf dem See und gehen nach einigen Hundert Metern hinein in den Wald und weiter ins sog. Fjäll, wie Landschaftsbereich oberhalb der Baumgrenze genannt wird. Der ganze Norden Skandinaviens ist grenzüberschreitend mit einem Wegenetz für Schneemobilfahrer durchzogen. Es gibt extra Verkehrsschilder und Markierungen für die Snowmobile und mitten in der Pampa oder mitten auf einem See Hinweisschilder auf Ortschaften und Tankstellen. Auf einer dieser mit roten Kreuzen markierten Route verläuft das Rennen.

 Am Abend gehen wir im Restaurant vom Campingplatz essen. Im Laufe des heutigen Montages sind mehrere deutsche Teams eingetroffen. Drei Frauen setzen sich neben uns und schnell kommen wir ins Gespräch. Eine der Frauen startet am nächsten Tag mit einem 8er-Gespann und eine am übernächsten Tag mit einem 12er-Gespann. Die Frau, die am Mittwoch mit ihrem 12er-Gespann auf die 300 Kilometertour geht, heißt Angela W. und ist in ihrer Klasse deutsche Meisterin. Eine resolut und eher rustikal daherkommende kommunikative Frau in einem neongelben Arbeitsoverall. Wir waren schon zuvor auf dem Campingplatz kurz ins Gespräch gekommen, als wir sie beim Versorgen ihrer Hunde beobachtet haben. An diesem Abend erfahren wir eine ganze Menge über diese Art von Hundesport. Das richtige Füttern, wie soll es anders sein, ist eine große philosophische Angelegenheit und hier hat jeder sein eigenes Erfolgsrezept. Wir lernen, wie wichtig es ist, während eines Wettkampfes die Hunde nie in den Bereich des Hungers kommen zu lassen, da sie sonst unterzuckern und ihr Fressen dann unter Umständen gar nicht mehr anrühren. Angela stellt sich unterwegs regelmäßig den Wecker, um ihre Hunde auf der Strecke wirklich alle zwei Stunden mit kleinen Happen zu füttern. Wir erfahren, wie schwer es sein kann, sich im Gelände zu orientieren, wenn Schneesturm die Spur zuweht und wie verletzungsanfällig dieser Sport sein kann.

Den Winter verbringt Angela mehrheitlich hier oben in der Nähe von Särna, wo sie inzwischen ein Grundstück besitzt, um auf Schnee zu trainieren. Ansonsten lebt sie in Sachsen-Anhalt. Das scheinen mehrere Deutsche so zu machen, wie wir feststellen. Wer dieses nicht ganz preiswerte Hobby ernsthaft betreibt, hat offensichtlich hier oben in Schweden eine Bleibe.

Startlinie

Jeder Teilnehmer hat auch einen sog. „Handler“ an seiner Seite. Dabei handelt es sich um eine Helferin oder einen Helfer, der die Hunde mit versorgt, mit zum Start führt und so lange am Start mit im Zaum hält, bis quasi der „Startschuss“ fällt. Natürlich wird nicht geschossen, sondern ein Fahnensignal gibt den Weg frei. Außerdem darf der Handler als Einziger bei den Stationen unterwegs dabei sein. Seine Aufgabe ist es dann, die Hunde zu beobachten, während der Fahrer evtl. schläft und diesen ggf. zu wecken, wenn sich um die Hunde gekümmert werden muss. Er darf in keiner Weise helfen. Seine eigentliche Aufgabe ist es, im Notfall Hunde entgegen zu nehmen, falls sich ein Tier verletzt oder Fahrer oder Tierarzt  entscheiden, ein Tier aus dem Gespann zu nehmen.

Die Starts selber sind eine quirlige, laute Angelegenheit. Die Hunde stehen unter einer enormen Spannung, bellen und jaulen und schmeißen sich ins Geschirr. Es kostet bestimmt viel Kraft, sie im Zaum zu halten, auch wenn alle Hunde einen ausgesprochen gut erzogenen Eindruck erwecken. Immer wieder müssen Leinen neu sortiert werden und ggf. auch mal der Rückwärtsgang eingelegt werden, wenn sich, wie heute Morgen der Fall, ein Anker gelöst hat und die Meute fünf Minuten zu früh nach vorne geprescht ist.

 Wenn dann das Fahnensignal kommt, die Anker am Schlitten gelöst und die Hunde losgelassen werden, kehrt augenblicklich Ruhe ein und es drängt ein jedes Gespann nach vorne. Manche Hunde kommen erst in aller letzten Sekunde zum Start und werden erst dort eingespannt oder Teilnehmer machen einen sog. fliegenden Start, sie kommen wirklich erst so spät zum Start, dass sie durchfahren können und nicht mehr an der Startlinie anhalten müssen.

 Mit dem Anblick des Starts der Achter-Schlitten beenden wir unseren Aufenthalt in Särna. Zweieinhalb intensive Tage liegen hinter uns mit so vielen Gesprächen und Menschen um uns herum, wie in den ganzen sieben Wochen zuvor nicht. Es war eine ausgesprochen angenehme Atmosphäre, überall durfte man hin und ein jeder war sehr auskunftsfreudig. Nun fahren wir weiter Richtung Heimat und verfolgen die Rennen im Internet.

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Vilhelmina - Särna

Wir wollen von Vilhelmina weiter nach Särna fahren. Wir haben von „Womobleben“ den Tipp bekommen, dass dort vom 28.2. bis 4.3. die Weltmeisterschaft im Long-Distance Schlittenhunderennen stattfindet. Das klingt spannend und wollen wir uns nicht entgehen lassen. Särna liegt im mittelschwedischen Hinterland rund 100 Kilometer vor der norwegischen Grenze.

Der Blick auf unsere Gasreserven macht uns jedoch unsicher, wie lange es wohl noch zum Heizen reicht. Die nächstgelegenen LPG-Tankstellen, die man auf myLPG.se wunderbar recherchieren kann, liegen nicht gerade auf dem Weg. In Östersund soll es eine Möglichkeit geben, deutsche Gasflaschen zu tauschen. Das wäre auch eine Option für uns und so steuern wir Östersund an. Den Versuch, auch diesen Weg über kleine Nebenstraßen zu fahren, müssen wir nach 20 Kilometern aufgeben, weil die Straße dann leider nicht mehr geräumt ist. Es geht zurück nach Vilhelmina und weiter auf der E45 Richtung Östersund.

Vemdalens Kyrka

Diese Holzkirche von 1763 erinnert uns an unsere Fahrt durch Karelien. Sie ist verschlossen, doch der Schlüssel zum Eingang hängt gleich neben der Tür.

Wir sind erst spät losgekommen und das Hin und Her wegen der gesperrten Straße hat uns Zeit gekostet, so dass wir nach rund 100 Kilometern bei Hotingen schon wieder von der Hauptroute abbiegen und uns über kleine Straßen ins Abseits schlängeln. Wir sind wählerisch mit unserem Plätzchen für die Nacht und schlagen zwei Möglichkeiten aus, weil sie uns noch nicht so ganz optimal erscheinen. Bei dieser wunderschönen Natur, die auf jedem Kilometer zu sehen ist, sind Umwege ja keine Strafe und so werden wir nach rund 20 Kilometern - mit einem extra für uns mitten im Wald auf einer gerodeten Fläche frei geschobenen Plätzchen - belohnt.

 Am nächsten Morgen führt es uns für ein paar Kilometer wieder zurück auf die E45, bevor wir sie kurz hinter Strömsund wieder verlassen, um die 339 und die 340 nach Östersund zu nehmen. Man muss sich das so vorstellen, dass wir hier lieber auf „Landstraßen“, als auf „Bundesstraßen“ fahren. Autobahnen gibt es erst ab Uppsala wieder. „Bundesstraßen“ sind durchgängig zweispurig und haben für kritische Bereiche auch schon mal wechselseitig eine dritte Spur für Überholer. „Landstraßen“ sind auch zweispurig, aber oft etwas enger und wenn sie noch eine Nummer kleiner werden, dann gibt es entlang der Strecken immer Ausweichbuchten, falls sich doch mal zwei Dickschiffe begegnen oder man den nachfolgenden Verkehr vorbei lassen möchte.

Auf diesem Streckenabschnitt werden wir mit einem Elch und einem Fuchs, beide kreuzen die Straße, belohnt. Der Elch war überraschend flott unterwegs, hielten wir ihn doch eher für behäbig. Der Fuchs kreuzte die Straße mitten in einem kleinen Dorf, was auch ein wenig überraschte. Wir fahren bis nach Laxjö, dort entdecken wir eine Kirche direkt am See und erhoffen uns damit ein ruhiges freies Plätzchen. Der Parkplatz wird gerade frisch geräumt und so frage ich den Herrn auf seinem kleinen Trecker, ob es ok ist, wenn wir uns für eine Nacht hier hinstellen würden. Es sei kein Problem und so suchen wir uns auf diesem leicht abschüssigen Platz eine halbwegs gerade Fläche.

 Die Sonne scheint und auf dem See dreht eine Familie mit ihrem Snowmobil und den Kindern auf Schlitten im Schlepptau ihre Runden. Wir schnappen uns Paula und genießen ebenfalls das herrliche Wetter.

 In Östersund am nächsten Tag angekommen, müssen wir leider feststellen, dass der Händler keine Alugasflaschen hat. Eine Stahlflasche zu kaufen macht für uns auch nicht so richtig Sinn und wir überlegen, dann doch lieber den Umweg über die Küste in Kauf zu nehmen. Bevor wir Östersund wieder verlassen, recherchiere ich im Internet eine kleine Bäckerei und wir decken uns mit frischem Kastenvollkornbrot und Gebäck für die nächsten Tage ein. Bäckereien von dieser Qualität kann man vermutlich an beiden Händen für ganz Schweden abzählen. Vielleicht etwas übertrieben, aber die Richtung stimmt.

 Zurück auf der E45 versuche ich die Öffnungszeiten der Gastankstellen herauszubekommen und wir stellen fest, dass wir uns den Umweg sparen können. Wir haben vergessen, dass es Freitagnachmittag ist und die beiden Gastankstellen erst Montag wieder öffnen. Ok, dann soll es wohl so sein und wir beschließen ohne Gas zu tanken, nach Särna zu fahren. Es ist ja auch nicht mehr so kalt, so dass wir vielleicht gar nicht so viel Gas verbrauchen. Nachts hat es ca. minus zehn Grad und tagsüber in der Sonne um die Null Grad.

 Schnell verlassen wir daher auch wieder die E45. Ich habe auf der Karte eine Alternativroute ab Asarna über die 316, 315 und 311 ausgemacht. Ohne es vorher zu wissen, landen wir in Skigebieten mit Ferienhäusern und Hotelanlagen. Alles ist hier ausgesprochen weitläufig. Irgendwann suchen wir uns wieder ein ruhiges Plätzchen für die Nacht und setzen am nächsten Tag unsere Fahrt fort. Mehr als 150 Kilometer möchten wir am Tag nicht fahren, da wir nur 40 bis 50 Kilometer im Schnitt schaffen. Das wäre auf der E45 anders, da kämen wir auf ca. 60 Kilometer im Schnitt, aber wir geben Einsamkeit und Schönheit der Schnelligkeit den Vorzug.

 Der Weg nach Särna führt uns durch eine herrliche sanft hügelige, winterweiße Landschaft. Wenige Orte, viel Natur. Wir machen Pause und wandern auf den Spuren der Snowmobile zu einem See. Überall liegen versteckt im Wald Häuser, die jetzt im Winter nur zu Fuß oder eben mit dem Snowmobil zu erreichen sind. Eine Familie kommt uns entgegen, Gepäck und Kinder werden im Anhänger vom Wochenendhaus zurück zur Straße zum Auto gefahren. Man merkt, dass wir im mittleren Schweden angekommen sind und die Bevölkerungsdichte langsam zunimmt.  Ansonsten herrscht Stille und weiße Weite im Überfluss.

 Die 311 ist eine etwas schmalere Straße, was ein deutsches Wohnmobil, ein Sprinter mit Aufbau von Wochner, zu spüren bekommen hat. Jede Straße hier im Norden ist im Winter mit Stöcken rechts und links abgesteckt. Durch den vielen Schnee lässt sich nicht immer klar ausmachen, wo hört rechts und  links der geteerte Bereich auf und wie sieht es daneben aus. Der Sprinterfahrer scheint für Gegenverkehr an die Seite gefahren zu sein und ist dabei mit der Beifahrerseite  in einen Graben abgesackt. Weder Allrad noch Ketten haben ihm geholfen sich aus dieser misslichen Lage zu befreien. Wir bieten unsere Hilfe an, auch wenn wir bezweifeln, dass wir genug Grip auf der Schneedecke haben, um ihn wirklich aus dem Graben zu bekommen. Um so größer ist die Erleichterung bei dem Ehepaar als wir es tatsächlich schaffen, ihn zurück auf die Straße zu ziehen. Herbert hat die mittlere und die hintere Differentialsperre gesetzt und ist im Kriechgang rückwärts gefahren. Als dann der Sprinterfahrer seine Nervosität überwunden und auch die Handbremse gelöst hatte, lies sich der Wagen zurück auf die Fahrbahn ziehen. Das war tatsächlich unser erstes Bergemanöver, schön, dass wir auch mal helfen konnten. Auch hier konnte der Pannendienst wieder abbestellt werden. Wir sind sehr zufrieden mit unseren Winterreifen, die uns auf dieser Tour hervorragende Dienste geleistet haben. Egal wieviel Eis oder Schnee auf der Straße lag, wir konnten sicher fahren, bei Bedarf abbremsen, sind selten ins Rutschen gekommen.

 Wir tauschen uns noch kurz eine Runde über die gegenseitigen Ziele aus und dann geht es auch schon wieder weiter. 

Die Bergeaktion habe ich vergessen zu fotografieren, wie so oft, wenn es spannend wird.

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Vilhelmina

Die letzten zwei Nächte haben wir zur Abwechslung mal auf einem Campingplatz verbracht. Die Vorteile: keine Stellplatzsuche, Waschmaschine und Trockner für frische Wäsche, heiß Duschen unlimited und eine Sauna mit Seezugang, für den der mag.

Der Campingplatz ist nicht übermäßig groß, liegt direkt an einem großen See und ist ansprechend aufgemacht. Wir verbringen den Tag mit einem langen Spaziergang über den See und laufen in das fünf Kilometer entfernte Vilhelmina. Es ist windstill und knackig kalt, obwohl die Sonne vom wolkenlosen Himmel strahlt. Ich habe die Drohne eingepackt und mitten auf dem See probieren wir sie aus bis uns die Finger „abfrieren“. Wir erkunden das kleine Städtchen und müssen uns mit einem Gebäck auf der Hand statt gemütlichem Konditoreibesuch begnügen, da Paula nicht mit rein darf. Auf dem Rückweg soll es ca. einen Kilometer vor dem Campingplatz ein gutes Restaurant geben, doch ich fürchte, auch auf diesen Genuss werden wir wegen Paula verzichten müssen.

 

Tatsächlich dürfen wir mit Hund nicht rein und so bin ich zurück am Womo ziemlich ausgehungert. Ich koche Kaffee und Tee und ziehe mir ein Durcheinander aus TUK, Chips und Käse rein, bis ich satt bin. Gleichzeitig stehen wir in der Sonne vor unserem Womo und üben mit der Drohne. Wir sind weit und breit die einzigen Gäste, also niemand da, den wir stören könnten. Ich mag nämlich Drohnen eigentlich nicht, andererseits ist es schon nett um gelegentlich mal schöne Aufnahmen zu machen, aber dazu bedarf es der Übung, sonst landet das Ding wieder in irgendwelchen Bäumen.

Der Campingplatz bietet zwei Saunen, eine große mit direktem Seezugang zum Abkühlen und eine kleine. Wir entscheiden uns für die kleine Saune, da sie nicht weit von unserem Stellplatz liegt und ich eh nicht vorhabe, in den See zu gehen. Holz zum Einheizen findet man in den Hütten und so beginnen wir gegen fünf damit, den Ofen in der Sauna zu befeuern. Es dauert nicht, wie vom Betreiber angekündigt 45 Minuten, sondern fast drei Stunden bis die Betriebstemperatur erreicht ist. Allerdings haben wir draußen auch schon wieder fast minus 20 Grad, da braucht es eben seine Zeit und vielleicht waren wir auch nicht mutig genug beim Bestücken des Ofens. Große Fenster geben den Blick auf den vereisten See und den Campingplatz frei. Die Luft ist heiß und trocken und es duftet nach Holz. Es ist schon acht, als wir endlich den ersten Gang machen und uns anschließend mit Schnee - statt Dusche -  abreiben, außerdem bietet die frostige Luft genug Abkühlung. Zwei Durchgänge reichen uns, dann kuscheln wir uns im Womo ein und zocken noch eine Runde bevor wir müde in unsere Betten fallen.

Am nächsten Morgen unterhält Herbert sich mit einem deutschen Paar, das mit einem Bulli unterwegs ist. Sie sind unterwegs Richtung Nordkap, Lofoten, Tromsø und auf der Jagd nach Nordlichtern. Kommt mir irgendwie bekannt vor und da unser Reiseführer „Lappland im Winter“ für uns ausgedient hat, verschenke ich ihn kurzer Hand weiter.

Wir selber starten auch wieder und decken uns in Vilhelmina erst einmal  mit Lebensmitteln ein. Außerdem muss ich unbedingt nochmal in die kleine Konditorei, wo  es gestern so viele Leckereien gab, da muss ich nochmal zugreifen. Ich bin nicht vielen Bäckereien in Skandinavien begegnet. In meiner Wahrnehmung werden Lebensmittel hier fast ausschließlich in Supermärkten angeboten. Schlachter, Gemüseladen, Käsegeschäft oder eine Bäckerei, wie wir es von zuhause kennen, sucht man hier weitgehend vergebens.

Gut bestückt und den Dieseltank ebenfalls aufgefüllt, geht es weiter Richtung Süden. Für die Nacht finden wir wieder ein sehr schönes abgelegenes Plätzchen im Wald auf einer gerodeten Ebene. Hier hat jemand Schnee geschoben. Keine Ahnung für wen, aber für uns ist es gerade sehr passig. Mal schauen, was morgen früh so um uns herum passiert...

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Zurück in Schweden

Nach unserem „Ruhetag“ kommt wieder ein Fahrtag. Wir entscheiden die E6 zu verlassen und via E77 nach Schweden auf die E95 zu nehmen. Die E6 entlang der norwegischen Küste weiter zu fahren hätte sicherlich landschaftlich seinen Reiz, doch es zieht uns ins Hinterland, um mehr Einsamkeit und Stille zu finden. Und was soll ich sagen.... gesucht und gefunden!

 

Rund 170 Kilometer sind wir gefahren, kontinuierlich auf einer Höhe von 450-500 Metern. Die norwegisch-schwedische Grenze befindet sich auf einem Hochplateau. Der Himmel ist bewölkt und entsprechend grau ist alles um uns herum, die Sicht nur mäßig. Immer wieder Parkplätze und Parkbuchten, alle voll mit Autos nebst Anhängern, nur zu sehen ist niemand (wenn ich von „voll“ spreche, dann reden wir hier über 20 oder 30 Autos). In den Anhängern transportieren die Skandinavier ihr liebstes Spielzeug, das Snowmobil, in manchen sogar zwei. In der Ferne können wir beobachten, wie sie kreuz und quer über die Hügel düsen. Zwischendurch entdecke ich drei Erlkönige von BMW.

 Entlang der Strecke reiht sich ein See an den anderen. Hier und da gibt es Campingplätze, die mit Dauercampern belegt sind. Bis zum ersten Ort auf schwedischer Seite sind es genau 100 Kilometer. Bis dahin nichts weiter als Wälder und Wasser. In Jäkkvik gibt es einen Supermarkt und eine kleine Tankstelle, die den Eindruck erweckt, als wäre sie ausschließlich für Snowmobile gedacht.

Nachdem wir unsere Vorräte aufgefüllt haben, beschließen wir uns ein Plätzchen für die nächste Nacht zu suchen, auch wenn es erst Mittag ist. Doch ich ahne es, ganz so leicht wird das nicht. Hinter Jäkkvik nehmen wir den erstbesten Abzweig der sich bietet und landen nach sieben Kilometern auf einem privaten Grundstück. Vorher ist nichts zu machen. Es geht nirgends rechts oder links hinein in eine kleine Lücke. Wir fahren zurück und nehmen die nächste Abzweigung, diesmal nach rechts und nicht in eine Sackgasse, sondern in unsere geplante Richtung. Auch hier das gleiche Problem, recht und links ist der Schnee so hoch getürmt, dass wir nicht mal eben reinfahren können. Wir kommen in ein kleines Örtchen, Laisvall, und ja, hier könnte man stehen, aber irgendwie nur semischön. Wir fahren weiter, wenn sich nichts findet könnten wir ja zurück fahren. Drei Kilometer weiter kommen wir nach Laisvallby. Das ist es, mal wieder gesucht und gefunden. Wir fahren im Ort bis runter an den See und finden gleich am Ufer neben einem alten geschlossenen „Lanthandel“ einen wunderschönen Stellplatz. Der See ist riesig, es schneit und wir machen gleich erst einmal einen kleinen Spaziergang rüber ans andere Ufer, bevor es dunkel ist. Die einzigen, die hier unterwegs sind, sind wieder Snowmobilfahrer. Sie kommen quer über den See und fahren zu ihren Häusern. Der Schnee schluckt alle Geräusche, es ist unglaublich still hier.

Die Nacht ist, wie so viele hier oben, geprägt von unglaublicher Stille. Keinerlei Geräusche dringen aus der Ferne zu uns, einfach absolute Ruhe. Nach dem Frühstück drehen wir noch eine Runde durch den Ort. Ich schätze rund zwanzig Häuser verteilen sich hier, davon vielleicht die Hälfte derzeit bewohnt. Mich erinnert es hier sehr an Borek. Für mich wieder ein Ort zum Bleiben.

Gegen 12 Uhr starten wir wieder weiter. Wir wollen uns langsam Richtung Süden schlängeln. Dabei bevorzugen wir kleinere Nebenstraßen und weniger die großen Direktverbindungen. Solange der Winter sich hier von seiner schönsten Seite zeigt und uns mit Mengen an trockenem weißem Schnee verwöhnt, werden wir nicht schneller werden. Sobald Matsche und Feuchtigkeit das Regiment übernehmen, werden wir zügig gen Heimat reisen.

Zweieinhalb Stunden sind wir unterwegs und begegnen zwei Pkw´s, sowie zwei Schneepflügen, sonst niemandem. Es geht Kilometer für Kilometer durch verschneite Wälder, vorbei an zugefrorenen Seen. Wir sind langsam, die Straßen nur bedingt geräumt. Unseren Mittagskaffee trinken wir im Grunde mitten auf der Straße. Es ergibt sich einfach keine Parkmöglichkeit. Nicht einmal die sonst geräumten „M“- Buchten (das M steht hier für „mötesplats“ und heißt wörtlich: Platz, wo man sich trifft) sind geräumt, wird also eh eng, wenn jemand entgegen kommt. Die Begegnung vorhin mit dem Schneepflug war schon Millimeterarbeit, jetzt sind wir in einer noch schmaleren Straße.

Die nächste Stadt mit Einkaufsmöglichkeit ist Sorsele. Ich habe vergessen Butter zu kaufen und springe schnell in den örtlichen Coop-Markt. Als ich die Verkäuferin nach Rotbuschtee frage, antwortet sie mir auf Deutsch und gemeinsam suchen wir im Tee-Regal und werden fündig. Jetzt ist aber natürlich meine Neugier geweckt und ich frage sie, was sie hierher in den Norden verschlagen hat. Der Winter, ist ihre Antwort. Dem Dialekt nach kommt sie irgendwo aus dem Ruhrpott. Seit 12 Jahren lebt sie mit Ehemann und sieben Hunden hier. Schweden kenne keine Hundesteuer, erklärt sie mir. Außerdem könne man sich hier noch Haus und Grundstück leisten, es lebe sich einfach gut hier und sie liebe den Winter, auch wenn es langsam mal aufhören könnte zu schneien. Einzig der Juli und August wären nicht so schön hier, wegen der schier endlos vielen Mücken. 60 Kilometer fährt sie zu ihrer Arbeit, dafür lebt sie in einem Haus mitten im Wald an einem See, der nächste Nachbar rund 700 m entfernt, besser geht es nicht, meint sie. Es seien viele deutschsprachige Auswanderer hier oben. Auch wenn hier in Schweden die Supermärkte an allen sieben Tagen die Woche geöffnet hätten, Deutsche, Österreicher und Schweizer kommen vermutlich aus reiner Gewohnheit immer Montags zum Einkaufen, erzählt sie lachend. Dann würde sie mehr Deutsch als Schwedisch sprechen. Ich frage sie, wo die Menschen hier arbeiten würden, wenn sie so verstreut und fern in den Wäldern leben. Es gäbe viele, die in der Holzwirtschaft oder als LKW-Fahrer arbeiten würden oder aber an der Küste ihren Job hätten und nur an den Wochenenden nach Hause kämen. Ich zügle meine Neugier und verabschiede mich, schließlich wartet Herbert im Auto und wir müssen uns noch unser Plätzchen für die Nacht suchen.

Es dauert wieder einige Kilometer, aber wir finden auch für diese Nacht mitten im Wald ein abgelegenes Plätzchen für uns. Im letzten Licht drehen wir noch eine Hunderunde, bevor ich draußen unseren Fisch brate, den es zu unseren gebackenen Kartoffeln aus dem Omnia gibt (Dank an „Womoleben“ für die Anregung ;-)).

Am nächsten Morgen, das Teewasser beginnt gerade zu kochen, höre ich Motorengeräusche näher kommen. Ein Trecker mit Schneepflug beginnt um uns herum alles schön „sauber“ zu machen. Er kommt immer dichter und so schlüpfe ich flugs in meine Klamotten, um zu klären, ob wir vielleicht Platz machen sollen. Der Herr kommt ebenfalls aus seiner Fahrerkabine und meint zu mir, wir sollten in Ruhe frühstücken und unseren Kaffee trinken, er käme in einer Stunde nochmal, um den Rest zu schieben. Ich fürchte Herbert muss nun auch langsam aufstehen J.

 Auf diese Weise rollen wir um neun Uhr schon wieder durch tiefverschneite Wälder. Die Belohnung winkt nach einigen Kilometern, als wir auf einem See drei Elche entdecken. Zur Vollendung unseres Glücks kommen wir direkt an einer Parkbucht vorbei, so dass wir anhalten können und die Drei ausgiebig mit unserem Fernglas beobachten können.

Wir sind mal wieder auf der Suche nach Wasser und steuern jede Tankstelle, die auf dem Weg liegt an. Ich gehe rein, um zu fragen und komme mal wieder nicht raus. Auch hier werde ich auf Deutsch bedient. Die junge Frau stammt aus Ostfriesland und ist seit gut zwei Jahren zum zweiten Mal hier. Zwischenzeitlich war sie zwar mal zurück in Deutschland, aber nein, sie fühle sich hier wohler. Alles sei ruhiger und nicht so viele Menschen. Aber im Moment kämen sehr viele Deutsche, das würde auch die Immobilienpreise stark ansteigen lassen. Vor allem Impfgegner kämen und würden glauben, hier in Schweden ins „gelobte Land“ zu kommen. Das sei ziemlicher Blödsinn, meint sie, hier in Schweden sei die Impfquote relativ hoch, man diskutiere nicht viel, sondern mache es einfach und wer sich nicht impfen lassen wolle, das sei ok, der ziehe sich halt zurück. Sie selber sei geboostert.

Ich könnte mir hier gerade mal einen Café kaufen und die junge Frau mit meinen Fragen löchern, doch ich möchte Herbert nicht schon wieder im Auto warten lassen. Wasser gibt es im Moment leider keines, der Anschluss sei kaputt und eine Reparatur mache erst im Frühjahr Sinn. Und so verlasse ich den kleinen Laden mit ein paar Gebäckstücken für unsere Mittagspause.

Apropos Tankstellen: Hier in Skandinavien, mussten wir in noch keiner einzigen Tankstelle zum Bezahlen hineingehen. Jede Zapfsäule funktioniert erst, wenn ich meine Kreditkarte eingelesen habe, Pin eingeben und los geht es. Die Tankläden, wenn denn überhaupt einer da ist, sind nur noch Verkaufsstelle für Zubehör, Süßigkeiten, Café und Würstchen etc.. Und überhaupt, seit wir Deutschland verlassen haben, habe ich keinen einzigen Einkauf mehr mit Bargeld beglichen, in der Regel ging alles mit dem Handy, außer eben das Tanken, da braucht es eine Karte. Selbst für die Fährfahrten in Norwegen muss keine Buchung erfolgen. Die Kennzeichen werden beim Befahren der Fähre fotografiert und entweder man bekommt später in Deutschland die Rechnung mit der Post oder man hinterlegt an einer zentralen Stelle (ferrypay.no) seine Kontaktdaten mit Mailadresse und Kreditkartennummer und bekommt Stunden später die Rechnung nebst Abbuchung zugestellt. In diesem Fall sind die Fährtickets dann auch gleich um einiges billiger. Die Abbuchung für mautpflichtige Straßen oder Tunnel läuft auf ähnliche Weise ab.

 Wasser finden wir im 50 Kilometer entfernten Dikanäs. In diesem kleinen Örtchen wirkt die Welt wie stehen geblieben. Für uns geht es weiter. Wieder halten wir Ausschau nach einem Plätzchen für die Nacht, doch diesmal gibt es nicht einmal Stichstraßen in denen wir suchen könnten. Irgendwann entscheiden wir bis nach Vilhelmina durchzufahren. Dort soll es einen geöffneten Campingplatz geben und ich müsste mal wieder Wäsche waschen.

Als wir ankommen, sind wir die einzigen Camper-Gäste. Gegen 21 Uhr bauen zwei junge Männer neben uns ihr Zelt auf. Sie sind Teilnehmer der Baltic-Sea-Circle-Rallye und sind mit einem Fiat Panda unterwegs. Ich weiß nicht, was kleiner ist, der Fiat oder das Zelt. Draußen sind derzeit minus 12 Grad, es sollen minus 18 werden ... kann man machen ...

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Zurück auf dem Festland

Wir sind zurück auf dem Festland. Die Tatsache, dass wir keine Möglichkeit gefunden haben, Wasser zu tanken, hat uns schneller werden lassen. Wir haben zwar noch unseren zweiten 5 l-Wasserkanister aus Finnland, den wir zum Teekochen nutzen aber Haare waschen wäre auch mal wieder ganz nett. Da wir uns im südlichen Zipfel der Lofoten eh nicht so richtig wohlfühlen, beschließen wir, am nächsten Morgen die Fähre aufs Festland zu nehmen.

 

Im Nachhinein ist man ja immer schlauer und manchmal denke ich: verdammte Axt, lernen wir denn so gar nicht aus unseren Reisefehlern. Aber hätte, könnte, sollte ... Wir sind immer wieder zu schnell unterwegs, dabei haben wir doch Zeit, könnten nach hinten verlängern. Doch irgendwas treibt uns immer weiter und so sind wir inzwischen zurück auf dem Festland und haben ein nettes Plätzchen abseits der E6 nahe dem Saldal Touristencenter gefunden. Um uns herum ein paar Häuser im Wald verstreut, vielleicht bewohnt, vielleicht sind die Lichter aber auch wieder nur von Zeitschaltuhren gesteuert. Viele Spuren deuten auf reichlich Rentiere und vielleicht auch Elche hin. Einen Elch habe ich tatsächlich bei der Anreise auf den letzten Kilometern auf einem teils zugefrorenen Fluss entdeckt. Die Rentiere besuchen uns am Morgen direkt vor unserer Haustür und knabbern vielleicht die restlichen Chips auf, die mir gestern Abend beim Kochen draußen runter gefallen sind. Ich kann sie von meinem Bett aus beobachten und bin wie elektrisiert.

 

Wir haben Abends beschlossen, eine weitere Nacht zu bleiben.  Dieser Platz hat nämlich genau das, was wir lieben: er liegt in einem Wandergebiet, hat einen Picknickplatz mit Feuerstelle und liegt ruhig und einsam im Wald. Wandern und Lagerfeuer stehen also auf dem Tagesprogramm. Ich habe am Vorabend noch meinen Sauerteig aufgefrischt und vor dem ins Bett gehen zwei Vorteige für ein Brot angesetzt, es soll im gusseisernen Topf am Feuer gebacken werden.

 

Am Morgen bereite ich das Brot vor und packe es in den Gärkorb bevor wir gegen 12 Uhr zu unserer kleinen Wanderung starten. Eineinhalb Stunden geht es bergauf bis wir streiken, weil wir nicht mehr wissen, wo es weiter geht. Bis hier her ist jemand mit Tourenskiern vor uns unterwegs gewesen, hat gedreht und ist zurück. Wir versuchen es noch ohne Schneeschuhe weitere 100 Meter, geben dann aber auf. Mal sinken wir 30 cm tief in den Schnee ein, mal trägt uns die verharschte Schicht, in Summe sowohl für Paula als auch für uns zu anstrengend. Auf einem Felsen machen wir es uns mit Tee und Keksen „gemütlich“, bevor es wieder zurück geht. Kurz vor unserem Wohnmobil begegnen wir sechs Rentieren. Sie springen nicht gleich ab, sondern bleiben auf Distanz zu uns, nur eines kommt neugierig in unsere Richtung, bevor es umdreht und seine Artgenossen zum Abmarsch antreibt. Sie laufen jedoch lustiger Weise genau auf unserem Weg vor uns her und so können wir sie eine ganze Zeit lang beobachten.

 

Paula steckt ihre Nase unablässig in den Schnee und frisst irgendwas. Erst dachte ich, es sind die Köddel der Rentiere, die auch auf dem Weg entlangspazieren. Bei genauerer Betrachtung sehe ich, dass im Schnee überall Reste von Tierfutter verstreut liegen und Paula sich die ganze Zeit damit den Bauch vollhaut. Die Rentiere werden also gefüttert und Paula ist ganz happy, wo gibt es schon mal einen Spaziergang mit Wegzehrung auf jedem Meter.

 

Unten angekommen werfe ich einen Blick auf mein Brot und erschrecke mich. Nun muss das Feuer aber schnell in die Gänge kommen, das Brot kommt sonst aus dem Gärkörbchen gekrabbelt. Sicherheitshalber stelle ich das Körbchen in den Schnee, um der Hefe und dem Sauerteig die Lust am sich Weiterentwickeln zu nehmen.

 

Herbert befreit die Feuerstelle vom Schnee und bringt das Lagerfeuer in die Gänge. Endlich kommt das Holz, das wir schon seit einiger Zeit spazieren fahren, zum Einsatz. Der gusseiserne Topf wird vorgeheizt und schließlich kommt das Brot hinein. Wir sind gespannt. Im letzten Winter sind unsere Versuche, im Garten auf der Feuerstelle Brot zu backen, kläglich gescheitert. Beide Male war uns das Brot wegen zu viel Hitze verkohlt. Das soll diesmal anders werden! Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nur an einer Stelle ist es unten etwas schwarz geworden, ansonsten sieht es tadellos aus.

 

Es ist noch nicht ganz dunkel, man merkt, die Tage werden hier oben im Norden nun in großen Schritten länger, und wir kochen uns noch ein Chilli sin Carne am Feuer. Dazu gibt es die verbliebene Flasche Prosecco, wobei es so kalt ist, dass der Sekt in unseren Gläsern gefriert. Gegen Sieben sind wir fertig, räumen alles auf und hängen unsere nach Lagerfeuer stinkenden Klamotten an den Wanderschildern über Nacht zum Lüften auf. Zufrieden machen wir es uns auf unserem „Sofa“ gemütlich, „alt“ werden wir heute nicht.

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Lofoten

Ich sei wie ein Staubsauger, sagt zumindest Herbert und erfreut sich daran, wie ich alles um mich herum aufsauge, die Leute anquatsche, ihnen Fragen stelle und so in kleine Gespräche mit den Menschen hier komme.

 

Auf einem der letzten Stellplätze in der Marina in Lødingen ergab sich ein Gespräch mit einem Deutsch-Norweger. Unsere Hunde toben gemeinsam durch den frischen Schnee und getreu dem Motto aus Ina Müllers Song „Hätt ich´n Hund, hätt ich´n Grund“ ergab sich das Gespräch. Wohnmobil mit norwegischem Kennzeichen dazu perfekte deutsche Aussprache machen mich neugierig.  Der Herr, der fleißig um sein Wohnmobil herum Schnee schiebt, ist zur See gefahren und nun im Ruhestand. Seine Frau arbeitet noch im örtlichen Krankenhaus von Lødingen, sie haben ihren Hof ganz in der Nähe dem Sohn übergeben und sind ins Wohnmobil gezogen. Freie Tage verbringen sie mit Kurzreisen und in zwei Jahren soll es dann auf große Tour gehen. Anschließend soll es wieder aufs Boot gehen und das Reisen entlang der norwegischen Küste fortgesetzt werden. Konkrete Pläne, ich wünsche ihnen gutes Gelingen. Wir quatschen noch ein wenig und beide versorgen uns noch mit Tipps für Stellplätze und mit Warnhinweisen hinsichtlich des Straßenverkehrs im norwegischen Winter.

Schmale Zufahrt zur Marina. Auf dem Hinweg streifen wir die Stromleitungen.

 

Von Lødingen aus geht es für uns nach Hanøy, also auf die Lofoten. Hier verläuft auch in etwa die Grenze zu den Vesterålen, der Inselgruppe nördlich der Lofoten. Wir stellen uns auf den Parkplatz des Fähranlegers und erkunden die Umgebung. Rund zehn Häuser liegen in der Bucht, von denen zwei oder drei den Eindruck erwecken, bewohnt zu sein. Bei den übrigen brennt zwar Licht aber der hohe Schnee rund um das Haus zeigt klar, dass hier seit längerem niemand ein- und ausgegangen ist. Wie übrigens bei ganz vielen Häusern entlang der Küste.

 

Am frühen Abend baut Herbert mir meine Outdoorküche auf. Ausgerechnet jetzt kommen drei oder vier Autos, drehen und fahren rückwärts quasi in eine Schlange. Kurz darauf kommt tatsächlich eine Fähre, die Autos fahren rückwärts drauf und ab geht es. Nun ist es wieder ruhig um uns herum und ich kann kochen, ohne damit jemanden zu stören.

 

Die nächste Tagesetappe ist ganze 7 Kilometer lang und geht ein kleines Stück wieder zurück. Ich möchte gerne eines der Schiffe der Hurtigruten vorbeifahren sehen und recherchiere im Internet, wann welches Schiff evtl. in unserer Nähe entlang fährt. Wir fahren an den Raftsundet und finden ein super Plätzchen in der ersten Reihe am Wasser. Die Nordnorge müsste am Nachmittag gegen 16/16.30 Uhr südgehend hier vorbei kommen. Bis dahin machen wir noch einen ausgiebigen und schönen Spaziergang ins Hinterland nach Kongsmark.

 

Im Internet verfolgen wir die Nordnorge und wie nicht anders zu erwarten, schippert sie pünktlich an uns vorbei. Zehn Minuten, viel länger dauert das Beobachtungsvergnügen nicht, dann ist es wieder außer Sichtweite. Vor sieben Jahren haben wir diese Passage aus anderer Perspektive erlebt und die Berge vom Wasser aus bestaunt.

 

Am Abend zocken wir gerade eine Runde, als meine Aurora-App Nordlichter verspricht. Wir blicken raus und freuen uns, dass der Himmel nicht bewölkt ist. Warm angezogen springen wir aus dem Womo und erleben ein Konzert der Nordlichter, wie wir es bisher noch nicht erlebt haben. Gut eine Stunde stehen wir draußen und bestaunen das Naturschauspiel. Zeitgleich sehen wir auch, wie sich der Himmel immer mehr mit Wolken zuzieht und damit die Lichter aus unserem Sichtfeld verschwinden. Ein wunderbarer Tag.

 

Unser nächstes Ziel ist Svolvær. Wir beschließen die Etappe zu verlängern und fahren die kleinen Straßen entlang der Küste ab. Auf google Maps entdecke ich etwas, was mich neugierig macht und so lotse ich Herbert nach Laukvika, in ein abgelegen wirkendes Nest. Wir parken am Hafen und gehen auf Erkundungstour. Laukvika ist einer der Orte an dem der beliebte Stockfisch hergestellt wird. Was ich auf google maps gesehen habe, sind die vielen hölzernen Trockengestelle, die hier entlang der Küste stehen und auf denen der Kabeljau getrocknet wird. Hier werden jedoch nur die Köpfe der Fische getrocknet. Der restliche Fisch wird abtransportiert und anderweitig verarbeitet. Wir laufen an den Gestellen entlang und es riecht stark nach Fisch. Nur noch ein Gestell ist zum kleinen Teil mit den Köpfen bestückt. Ich lese nach und finde heraus, dass die Köpfe ca. drei Monate an der Luft trocknen, bevor sie nochmal drei Monate in eine Trockenkammer kommen. Anschließend werden sie bevorzugt nach Afrika, Nigeria verkauft, wo sie heiß begehrt sind. Wir sehen, wie Arbeiter die Köpfe auffädeln und anschließend an den Gestellen aufhängen. Die Massen erschrecken uns ein wenig.

 

Paula kommt zurück ins Auto. Zu Beginn unserer Erkundungstour haben wir ein kleines Café am Hafen gesehen, das wir nun ansteuern. Hunde sind in den Innenräumen in der Regel nicht erwünscht. Es ist gut voll hier und wir suchen uns ein Plätzchen am Fenster. Beim Bestellen stellt sich heraus, dass der Herr hinter der Theke aus Deutschland kommt. Später als der Café getrunken und die frische Waffel mit Blaubeereis vertilgt sind, kommen wir noch miteinander ins Gespräch. Arbeitslosigkeit in Deutschland hat ihn vor 12 Jahren eher unfreiwillig nach Norwegen und später dann auf die Lofoten gespült. Heute möchte er hier nicht mehr weg. Er schätzt die ausgesprochen ehrliche, respektvolle Art der Norweger miteinander. Zwei junge Frauen am Tisch neben uns beteiligen sich am Gespräch, sie haben in Deutschland bzw. in Frankreich ihre Jobs an den Nagel gehängt und arbeiten ebenfalls jetzt hier oben im Tourismusbereich.

 

Wir quatschen noch eine ganze Weile miteinander, bevor wir wieder aufbrechen. Der Tag ist heute primär grau, es schneit immer wieder und der Wind pustet auch ordentlich. In Svolvær müssen wir feststellen, dass heute Muttertag ist und demzufolge kein einziges Geschäft geöffnet hat. Wir streifen durch verlassene Straßen und ziehen weiter. Am Ortsausgang ist doch noch ein Supermarkt geöffnet. Es gibt jedoch nur eine Art Notsortiment auf kleinem Raum zusammengestellt, eine Kasse, der Rest ist abgesperrt. Wir kaufen ein paar Kleinigkeiten und suchen uns auf dem Parkplatz des Lofoten Museums ein Eckchen zum Übernachten. Das Museum hat die nächsten zwei Tage noch geschlossen, da dürften wir nicht weiter stören. Die ganze Nacht über schneit und stürmt es. Der Wind rüttelt am Wohnmobil, obwohl wir es schon gut in den Wind gestellt haben.

 

Neben park4night, google maps, vegvesen, sind vor allem die norwegische Wetter App „YR“ und der Windfinder meine meistgenutzten Planungshilfen. Das Wetter ändert sich hinter jeder Kurve, hinter jedem Tunnel so schnell, dass nichts sicher ist. Da viele Inseln mit Brücken miteinander verbunden sind, die zum Teil auch sehr hoch sind, müssen wir den Wind stets mit im Blick haben. Der Satz „Ist auf den Lofoten das Wetter schlecht, dann warte 5 Minuten“ ist sehr zutreffend.

 

Wir fahren weiter auf der E 10 und verlassen sie wieder, um nach Henningsvær abzubiegen. Einen Kilometer vor dem Ort lassen wir unser Womo in einer Parkbucht stehen und stapfen zu Fuß weiter. Venedig der Lofoten wird das Dorf auch genannt, da es mit vielen Kanälen durchzogen ist. Sonne und dichtes Schneetreiben wechseln sich den ganzen Tag über ab. Wir erkunden jede Straße, erstehen im Supermarkt noch zwei Gebäckstücke, bevor wir uns zwei Stunden später wieder zum Wohnmobil aufmachen. Mit Blick aufs Wasser gibt es Café und Kuchen. Anschließend geht es weiter. Auf einer Halbinsel wollen wir uns ein Plätzchen für die nächste Nacht suchen.

 

Wir überfahren heute die Gimsøystraumen Brücke. Ein paar Kilometer vor der Brücke beginnt dichtestes Schneetreiben und wir sehen so gut wie nichts. Auf einmal bekomme ich Schnappatmung: „Elche“, das waren Elche, eben am Straßenrand. Herbert kann nicht anhalten, hinter uns ist Verkehr. Kurz vor der Brück ist ein großer Parkplatz, Herbert dreht und wir fahren die ein oder zwei Kilometer zurück. Tatsächlich stehen am rechten Fahrbahnrand drei Elche und reißen ordentlich am Gebüsch herum. Nun ist die Straße frei und wir können in Ruhe anhalten und die drei beobachten. Sie lassen sich nicht stören von uns, was mich überrascht, denn eigentlich sind es sehr scheue Tiere. Die drei sind bestimmt als Erlebnisfaktor für Touristen dort platziert. Begeistert drehen wir wieder um und folgen unserem Weg. Das Schneetreiben hat sich inzwischen wieder aufgelöst -schließlich sind fünf Minuten um- und wir können die Brücke richtig sehen, bevor wir über sie hinweg fahren. 

 

Irgendwie vergessen wir hinter der Brücke gleich die E10 zu verlassen, um die Halbinsel zu umrunden. Dabei stehen wir kurz genau an dem Abzweig, um das Foto von der Brücke zu machen. Egal, sagen wir uns, umrunden wir eben die Nächste. Tatsächlich müssen wir sie wirklich fast ganz umrunden, bis wir ein Plätzchen finden. Ziemlich exponiert stehen wir in Vestersand mitten auf dem Kai. Ich habe jedoch vorher im Ort gefragt, ob wir dort wohl stehen könnten für eine Nacht. Kein Problem hat man mir versichert.

 

Gut ausgeschlafen, ich schlafe hier standartmäßig bis acht, das sollte mir mal zuhause passieren, geht es weiter. Von nun an gibt es kaum noch Rundwege, die wir fahren können, sondern nur noch Stichstraßen, die von der E10 abgehen, die wir aber auch wieder zurück fahren müssen. Wir erkunden viele Ecken und genießen die vielen atemberaubenden Ansichten, die sich permanent ergeben. Jede Tageszeit hat ihr ganz eigenes Licht, Wolken ziehen, der Wind treibt sie ordentlich voran und die Sonne bringt den Schnee zum Glitzern.

 

Es gibt wenig zu berichten, es „passiert“ nichts Besonderes, es gilt „nur“ zu genießen....

 

Auf diese Weise fahren wir Stück für Stück weiter Richtung Süden auf den Lofoten. Unser Plan ist, ab Moskenes die Fähre rüber aufs Festland, nach Bodø zu nehmen. Je weiter wir südlich fahren, desto „enger“ wird es. Die Inseln werden immer kleiner, die Stichstraßen kürzer aber auch die Touristen werden mehr und mehr. Es fallen die vielen Mietwagen auf, die hier umher fahren. In erster Linie Hobbyfotografen, die überall ihre Stative aufstellen und die endlosen magischen Momente auf ihren Chipkarten festhalten wollen. In den Reiseführern kann man genau nachlesen an welcher Koordinate man welches Motiv am besten ablichten kann. Neben den Fotografen sind es die Surfer, die sich trotz der eisigen Temperaturen auf ihre Bretter stellen und hier von Strand zu Strand tingeln.

 

Unser ganz persönliches Lofoten-Fazit ist: Landschaftlich ein absoluter Traum doch wir mögen uns gar nicht vorstellen, was hier im Sommer los ist und was das für die Einheimischen bedeutet. Nicht ohne Grund trifft man hier unten auch schon viele „Camping verboten“-Schilder an.

Seefahrer - Boote - Fische

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Alta - Skjervøy - Tromsø

Stau in Norwegen. Wir haben Alta verlassen und wollen nach Skjervøy. Seit einer Stunde stehen wir auf der E6 in einem Stau und warten darauf, dass die Straße wieder freigegeben wird. Die E6 ist die Küstenstraße hier in Norwegen und schlängelt sich immer schön am Wasser entlang. Hinter jeder Kurve beeindruckt uns die Aussicht aufs Neue, obwohl oder vielleicht weil das Wetter heute nur so semi-schön ist. Es ist sehr stürmisch. Die Nacht hatten wir uns ein windgeschütztes Plätzchen gesucht damit uns die Böen nicht dauernd wecken. Wolken und Sonne wechseln sich ab.  Der Kontrast zwischen weißen Bergen, mal grauem, mal blauem Himmel und dazwischen das Meer, das regelrecht schwarz daher kommt, dann plötzlich sind die Berge wieder in Wolken gehüllt, all das fasziniert.

 

Der Stau war mit Ansage. Der Sturm von gestern hat die Nacht noch angedauert und zu einigen Lawinenabgängen entlang der E6 geführt. Nun gilt es abzuwarten, bis die Straße wieder geräumt ist. Im Netz steht, dass dies bis ca. 14 Uhr dauern könne, es ist im Augenblick kurz vor eins. Zeit, meine Texte zu schreiben und Fotos zu sortieren.

Auf der Seite www.vegvesen.no kann man recherchieren, ob irgendwelche Straßen gesperrt sind. Die Seite ist extrem aktuell, was auch immer auf Norwegens Straßen passiert, von wann bis wann aus welchem Grund Straßen oder Tunnel gesperrt sind, Fähren nicht fahren oder ein Bereich nur in Kolonne befahren werden kann, man erfährt es auf dieser Seite. Jede Kommune hat Mitarbeiter, die die Straßen ihres Gebietes abfahren und Meldung erstatten. Die Räumdienste sind hier mega auf Zack. Bei Baustellen wird genau beschrieben, was alles repariert werden soll, in welchem Zeitraum und welche Firma damit beauftragt ist. So haben wir von diesem Stau erfahren und wissen auch schon, dass die Zufahrt durch den Tunnel auf die Insel Skjervøy nur zu bestimmten Zeiten im Konvoi möglich ist.

Den Tag in Alta haben wir damit verbracht, Wäsche in der Marina zu waschen und zu trocknen und mal wieder ausgiebig heiß zu duschen. Wir waren in der Stadt, sind durch die kleine Fußgängerzone geschlendert und haben einige Zeit in der Nordlichtkathedrale verbracht. Im Untergeschoss der Kirche ist eine kleine aber eindrucksvolle Ausstellung rund um die Entstehung und Forschung von Nordlichtern eingerichtet. Die Kirche selber hatten wir ganz für uns allein und im Eingangsbereich konnte man Tee, Café und frisch gebackene Waffeln in gemütlicher Atmosphäre genießen. Alles strahlt so eine angenehme Wärme und Ruhe aus, zum Wohlfühlen. Auch die wenigen Geschäfte und Bars in der Fußgängerzone waren auffallend behaglich gestaltet. Die Masse an Geschäften war jedoch in einer Mall untergebracht, hier kann man im Warmen ohne Wind und Schnee shoppen. Doch alles was mich interessiert ist Brot. Ich bin auf der Suche nach einem Brot, das nicht nur die Konsistenz eines labberigen Toastbrotes hat. Keine leichte Sache. Der Supermarkt in der Mall ist auffallend gut sortiert, nur Brot gibt es keines. Laut google maps gibt es in Alta einen (!) Bäcker. Wir machen uns auf den Weg. Sechs Kilometer müssen wir fahren, um letztlich ein abgepacktes Brot zu erstehen, dass zumindest den Anschein erweckt, nicht nur Luft zu enthalten.

Brücke nach Skjervøy

 

Ich bin ein bisschen aus dem Takt gekommen, habe meinen Reiserhythmus verloren und muss mich ein wenig neu sortieren. Es hat mir so ausgesprochen gut in Lappland gefallen, dass ich so gar keine Lust auf städtisches Umfeld habe. In Skjervøy stehen wir direkt am Hafen, eigentlich ein richtig schöner Platz mit herrlicher Aussicht, aber direkt hinter uns geht die „einzige“ Hauptstraße dieses Städtchens entlang und gefühlt fährt jedes Fahrzeug durch unser Schlafzimmer. Was früher einmal Fischerdörfer waren, sind heute Fischerstädte mit Fischverarbeitungsindustrie sowie der dafür erforderlichen Infrastruktur und Logistik. Nach zwei Stunden Abendrunde und zwei Stunden Morgenrunde haben wir so ziemlich jede Straße dieses Ortes abgelaufen und beschließen weiter zu fahren. Ohne Schnee mag es weitaus mehr Wandermöglichkeiten auf dieser Insel geben aber ohne Schneeschuhe geht da nichts und auch für Paula wäre der Tiefschnee zu anstrengend.

Stellplatz am Hafen von Skjervøy

 

Inzwischen ist auch schon der 7. Februar und wir müssen unser Zeitkontingent neu aufteilen. Von unserer Reise mit Hurtigruten in 2015 haben wir Tromsø in Erinnerung und wollten unbedingt dort nochmal hin. Außerdem standen seither die Lofoten auf unserer gedanklichen Liste und so entscheiden wir, die verbleibende Zeit auf Letztere zu konzentrieren.

Skjervøy

Blick auf Skjervøy

 

In Tromsø angekommen, navigiere ich uns zu einem ausgesprochen schönen Plätzchen mit Blick über die ganze Stadt. Wir stehen auf einem der Parkplätze eines kleinen Skigebietes oberhalb der Stadt. Nachdem um 20 Uhr die letzten Kinder von ihren Eltern vom nachmittäglichen Skivergnügen abgeholt worden oder mit dem Stadtbus nach Hause gefahren sind, drehen die Pistenraupen eine abschließende Runde. Um 21 Uhr gehen die Flutlichter aus und es herrscht absolute Ruhe. Hier oben können wir ausgiebige Runden mit Paula drehen, sodass wir sie am nächsten Tag beim Stadtbummel im Wohnmobil lassen können.

Blick auf Tromsø

Morgenrunde

 

Die vielen Souveniergeschäfte machen mir klar, was normalerweise ohne Corona hier los wäre. Wir besuchen das Museum Polaris und gehen zur Abwechslung mal essen. Die Parkzeit lässt sich bequem via App verlängern, die Stunde 4€ ist nicht gerade ein Schnapper, aber sie lässt sich genauso einfach wieder beenden, als wir zurück am Auto sind. Im letzten Licht verlassen wir Tromsø und machen uns auf den Weg Richtung Lofoten.

 

Beim Verlassen der Stadt lernen wir einen Teil der Verkehrsunterwelt kennen. Gefühlt ist der gesamte Verkehr in Tromsø unter die Stadt verlegt worden. Ampeln und Kreisverkehr regeln die Fahrzeugströme auch unter Tage. Beeindruckend. Zu Fuß hatten wir nur die „Altstadt“ erkundet, nun aber sehen wir das wahre Ausmaß dieser Stadt mit all seinen Malls und Einkaufszentren und immer wieder Wasser.

Es dauert gut anderthalb Stunden bis wir ein Plätzchen für die Nacht finden. Die eingezeichneten Parkplätze oder Picknickplätze sind nicht zugänglich, sondern von den Räumfahrzeugen zugeschoben, da hilft auch Allrad nicht. Geht es rechts oder links dann doch mal rein, kann man gewiss sein, auf einem Privatgrundstück zu landen. Findet man am Ende einer geräumten Straße noch ein freies Stück, kann es passieren, dass man per Hupe geweckt wird, weil man einen Wendeplatz zugestellt hat. Der Schnee macht die Stellplatzsuche unter Umständen etwas schwieriger.

Irgendwann finden wir einen geräumten Parkplatz und suchen uns eine Möglichkeit, halbwegs grade zu stehen. Kurze Zeit später parkt ein finnisches Wohnmobil vor uns und am frühen Morgen wecken uns Motorengeräusche dicht neben uns. Der Platz ist halt auch Bushaltestelle. Macht nichts, heute ist eh Fahrtag, wir wollen weiter Richtung Lofoten.

 

 

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Zu Besuch auf der "Angeli reindeer-farm"



Inzwischen sitzen wir im kuschelig warmen Wohnmobil in Alta auf dem Gelände der Marina. Ich habe wieder Muße, Berichte zu schreiben und muss einiges nachholen. Es ist absolut ruhig hier, nur wenige Menschen, einzig der Wind pfeift um unser Auto. Die Gasvorräte sind aufgefüllt, die Außentemperaturen auf ein verträgliches Maß gestiegen. Alles was bis -20 Grad geht, tangiert uns nicht sonderlich.

 

In Inari hatte unsere Bypass-Lösung geholfen, nach zwei Versuchen ist der Motor wieder angesprungen. Wir haben an der Tankstelle noch Wasser aufgefüllt und sind eine Runde um das gegenüber liegende Gebäude, dem Kulturhaus der Sami spaziert. Die Architektur aus Holz und viel Glas gefällt uns ausgesprochen gut.

 

Um 15 Uhr sind wir mit Anne, von „Angeli reindeer farm“ verabredet. Wir wollten gerne eine Rentierfarm besuchen und haben vorgestern zwei Adressen aus unserem Reiseführer abtelefoniert. Der eine war für die ganze Woche ausgebucht, der andere nimmt nur Gruppenbuchungen an, gab uns aber die Kontaktdaten von Anne. Volltreffer!

 

Anne bietet auf ihrer Homepage zwei Varianten zur Buchung an: eine Stunde Besuch der Rentierfarm oder zwei Stunden für Rentierfarm und Einblick in die Kultur der Samen und beides immer nur für einen Interessenten, also keine Gruppen. Wir hatten uns für die zweite Variante entschieden und haben so einen ausgesprochen interessanten Nachmittag verbracht.

 

Anne und ihr Mann Janne leben mit Ihren drei Kindern mitten im Wald am Ufer eines Sees ca. 10 Kilometer westlich von Inari. Sie gehören zum Kulturkreis der Sami und sind Rentierzüchter aus Leidenschaft. Als wir auf den Hof fahren, erwartet uns bereits eine ganze Meute von Hunden und begrüßt uns freudig und lautstark. Paula bleibt besser in ihrer Höhle.

 

Anne hat den Hof illuminiert. Ich weiß nicht, ob für uns oder ob sie immer überall Kerzen brennen hat aber es sieht wunderschön aus. Wir stellen einander kurz vor und bekommen auch sogleich einen Holzeimer gefüllt mit Flechten in die Hände gedrückt. Gemeinsam geht es in ein Gehege, in dem ein paar Rentiere begierig auf das Naschwerk warten. Sie kommen schnurstracks auf uns zu, wissen ganz genau, was sie erwartet. Anne gibt uns ein paar Sicherheitshinweise bzgl. der teils gewaltigen Gehörne der Tiere und schon beginnt die kleine Fütterungsaktion.

 

Nachdem die Eimer geleert sind, verlieren die Tiere das Interesse an uns und sie dürfen das Gehege verlassen. Wir beginnen jede Menge Fragen nach den Tieren und dem Leben eines Rentierzüchters zu stellen. Wir sind so mit Fragen und Zuhören beschäftigt, dass wir kaum Fotos machen. In einem weiteren kleinen Holzgehege ist ein einzelnes Rentier abgesperrt. Anne erzählt, dass es eines der Leittiere sei, dass einen GPS-Sender am Hals trage, dessen Batterie aber leer sei und sie aktuell auf ihren Mann warte, der eine neue Batterie besorgt habe. Als Janne kurze Zeit später kommt, schauen wir zu, wie beide das Tier mit aller Kraft halten müssen und das Halsband austauschen. Danach darf er oder sie, ich weiß es nicht mehr, raus zu seinen/ihren Artgenossen. Bei den Rentieren tragen sowohl die männlichen als auch die weiblichen Tiere Geweihe.

Anne und Ihre Familie besitzen mehrere Hundert Rentiere. Jedes Rentier wird gezählt und ist markiert. Es gibt keine „wilden“ Rentiere, somit auch keine Rentierjagd. Jedes Tier gehört jemandem. Die Tiere laufen das ganze Jahr frei umher, bis sie im November/Dezember zusammen getrieben werden. Die Leittiere mit GPS-Sender zeigen wo sich die einzelnen Gruppen aufhalten und werden im Spätherbst „eingesammelt“. Dann ist Schlachtezeit und die männlichen Tiere werden verarbeitet, während die weiblichen Artgenossen für die Zucht bleiben. Das ist sicher stark vereinfacht beschrieben aber hier zeigte sich einfach die Grenze meiner Sprachkenntnisse und so manche Frage ergibt sich auch erst jetzt beim Schreiben. Die Masse der Tiere wird nur ca. ein gutes halbes Jahr alt. Im Mai geboren und im Winter geschlachtet. Klingt und ist hart aber sie haben ein freies Leben und wenn ich Fleisch essen möchte, dann sollte es auf diese Weise gezüchtetes sein. Die ganze Arbeit erledigen Anne und Janne selber. Auf dem Hof ihrer Schwiegereltern, rund 20 Kilometer entfernt, haben sie eine Schlachterei und ein Geschäft. Einzig die Tiere, die an Restaurants verkauft werden müssen mit einer EU-Kennzeichnung versehen und in zentralen Schlachthäusern verarbeitet werden.

Im Winter zusätzlich Heu gefüttert

 

Alle Tiere bekommen nach ihrer Geburt eine Kennzeichnung (Foto unten links) in ihr Ohr. Diese Kennzeichnung zeigt, wem dieses Tier gehört. Jeder Rentierbesitzer hat sein eigenes Zeichen und behält sie sein Leben lang. Man kann diese Kennzeichnung verkaufen oder vererben und nur so zu neuen Herden kommen. Annes Schwiegervater hat vor langer Zeit einer älteren Frau die Kennzeichnung abgekauft und später dann seiner Enkeltochter zur Geburt geschenkt. Anne und Janne haben aus diesem Grund Ihre Tochter nach dieser Frau benannt und sie auf den Namen Siiri getauft. Auf diese Weise gehören der heute 12 jährigen bereits eigene Rentiere.

 

Wir sitzen inzwischen im gemütlichen Haus von Anne und Janne und wärmen unsere Hände an einer heißen Tasse Tee. Ihr Konzept ist so gänzlich anders als diese vielen typischen Touriprogramme. Sie bieten Fremden Einsicht in ihr ganz normales Leben, öffnen ihr privates Haus, laden ein zu Tee oder Café in ihre eigene Küche. Nichts ist inszeniert. Überall hängen Familienbilder oder Kinderzeichnungen, der Kühlschrank ist wie bei uns zu Hause über und über mit Fotos und Magneten beklebt.  In einer kleinen Ecke hat Anne Dinge ausgestellt, die sie hier und im Sami-Museum in Inari zum Verkauf anbietet, doch nichts wird aufgedrängt.

 

Wir unterhalten uns, erfahren, was Anne alles aus den Rentieren macht, wie sie selber die Felle bearbeitet und das Leder für ihre handgefertigten Beutel herstellt. Die Felle werden zum Trocknen an die Zäune genagelt, das war uns schon bei der Anfahrt auf den Hof aufgefallen. Um das Leder zu gewinnen, also das Haarkleid zu entfernen, werden die Felle mit der Haarseite nach unten in den Schnee gelegt und mit Schnee bedeckt. Nach der Schneeschmelze im Frühjahr fällt das Haar von alleine ab. Anschließend erstellt sie einen Sud aus Baumrinde und legt das Leder darin ein.

 

Anne ist auch passionierte Anglerin und fängt vorrangig im Sommer viele Fische, die sie einfriert und bei Bedarf zubereitet. Eisangeln macht sie erst im Mai, wenn es schon ein wenig wärmer ist draußen. Außerdem zieht sie alle möglichen Pflanzen in ihrer Küche vor, die dann mehr einem Dschungel gleicht und nutzt den kurzen aber sehr warmen Sommer um Zucchini, Paprika, Brokkoli, Möhren und alles mögliche zu ernten und einzufrieren. Auch die Fischhaut verarbeitet sie zu Leder. Ich bin sehr beeindruckt von ihrer Vielseitigkeit.

 

Das Grundstück der Familie am See ist ein Hektar groß. Zudem gehören Ihnen damit auch Fischerei- und Nutzungsrechte am See bis zu einer Tiefe (in der Fläche) von 60 Metern. Ihr neu gebautes Holzhaus hat in Küche und Wohnbereich große Fenster und wird über eine Erdwärmeheizung beheizt. Die Schläuche für die „Erdwärme“ liegen am Grund des Sees, was noch um einiges effektiver sein soll, als bei klassischer Verlegung im Erdboden.

 

Im Eingangsbereich des Hauses steht ein gut gefülltes Schuhregal und wie soll es anders sein bei einer fünfköpfigen Familie. Dort stehen wasserdichte Boots aus Plastik neben traditionell aus Rentierfellen genähten Stiefeln. Ab 5 Grad müssten sie die Plastikboots tragen, ansonsten geht nichts über die Fellstiefel, meint Anne. Sie fertigt die Schuhe selber an. Außen mit Rentierfell und innen ein Innenschuh aus Filz. Dazu Wollsocken und man kann den ganzen Tag über draußen verbringen ohne kalte Füße zu bekommen. Zu gerne würde ich das testen ...

 

Eine Stunde unterhalten wir uns noch über ihr Leben als Sami. Ihre Kinder gehen auf eine Samischule bzw. Samikindergarten, doch es hat viele Kämpfe gebraucht bis die finnische Regierung bereit war, dies zu finanzieren, auch die Schulbücher ins Samische zu übersetzen. Vieles müssen sie auch heute noch aus eigener Tasche bezahlen. Es gibt nicht nur „Sami“ als eigene Sprache, sondern insgesamt zehn (?) verschiedene samische Sprachen und wer eine dieser Sprachen spricht, kann noch lange nicht eine der anderen verstehen, so unterschiedlich sind die Sprachen. Hier in der Gegend von Inari wird Inari-Sami gesprochen und so auch im Haus von Anne und Janne. Anne hat die Kinderbücher ihrer Kinder übersetzt und diese Übersetzungen hineingeklebt.

 

Lange Zeit haben die Regierungen die Sprache der Samen und ihre Kultur verboten. In den 40er Jahren hat man sogar den Samen die Kinder „weggenommen“ und zwangsweise in Internate gesteckt, um zu unterbinden, dass sie nach alter Tradition erzogen werden. Heute hat sich das zwar geändert, doch der Erhalt ihrer Lebensform, insbesondere als Rentierzüchter, sei permanent bedroht. Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees hat man in den 90er Jahren den Wald abgeholzt. Die Folge ist, dass in diesem Gebiet die Rentiere kein Futter mehr für sich finden. Aktuell hat die Regierung im Gebiet eines Sees, der auch für die Trinkwasserversorgung genutzt wird, einer kanadischen Mienengesellschaft eine Lizenz zum Abbau von Bodenschätzen erteilt. Mit diesen und ähnlichen Sorgen hat Anna ihren täglichen Kampf.

 

Ihren Kindern werden sie es freistellen, ein Leben als Rentierzüchter oder ein gänzlich anderes Leben zu führen. Sie sollen selber entscheiden, wohin ihre Reise geht. Anne und Janne sind auf jeden Fall mit ganzem Herzen in ihrem Leben als Rentierzüchter zuhause. Urlaub oder verreisen ist für sie kein Bedürfnis und wenn doch, dann geht es mit dem Zelt für ein paar Tage nach Norwegen.

 

Auch dies war wieder ein Platz, den ich nur ungerne verlasse. Es gäbe noch so unendlich viel zu erfahren, doch unsere Zeit ist um. Anne muss die Kinder abholen und anschließend geht es zur Schwiegermutter, sie hat für alle gekocht, was immer eine große Erleichterung ist. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Wir bezahlen die gebuchten Stunden auch hier ganz easy mit dem Handy und machen uns auf den Weg Richtung Alta.

 

 

 

 

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Verdammt kalt hier

Der heutige Tag ist eine Stunde länger für uns. Wir sind zurück aus Finnland und vor ca. zwei Stunden in Norwegen eingereist. Die Grenze lag auch dieses Mal einsam und verlassen und zudem in totaler Dunkelheit. Von Kontrollen nichts zu sehen. Allerdings sind das hier auch immer absolut kleine Grenzübergangsstationen mit sehr, sehr, sehr wenig Verkehr.

 

Doch zurück nach Pallastunturi. Unser nächstes Ziel ist es, die Straße Nummer 955 nach Inari zu befahren, sie soll landschaftlich besonders schön und die Gegend eine der am dünnsten besiedelten Finnlands sein. Da ich nicht gerne eine Strecke auf gleicher Linie zurück fahre, haben wir uns eine Alternativroute über kleine Dörfer herausgesucht aber wegen der Wanderung kommen wir erst gegen drei los. Bevor es dunkel wird, halten wir in einem kleinen Ort namens Tepasto und machen es uns gemütlich. Am nächsten Morgen mache ich noch eine ausgiebige Hunderunde auf einem zugefrorenen Fluss und bin beeindruckt von der absoluten Stille um mich herum. Einzig das Rascheln von Paulas Wintermantel und meine knirschenden Schritte im Schnee sind zu hören, sonst absolut nichts.

 

Zurück im Womo gibt es Frühstück und wir starten weiter auf unserer Route über die Dörfer. Nach ca. 20 Kilometern soll es in Lompolo rechts ab Richtung Osten gehen und uns nach weiteren 20 Kilometern auf die 955 bringen. Hinter Lompolo fällt mir auf, dass ich wohl den Abzweig übersehen habe. Ich wende und wir fahren zurück, bis wir auf unserem Navi den Abzweig finden. Hm, ziemlich kleine Straßen fahren wir ja schon die ganze Zeit, nun aber wird sie noch schmaler. Gegenverkehr sollte da keiner mehr kommen. Die Straße ist zwar geschoben aber man sieht, dass sie wenig befahren ist. Wir wagen es.

 

Nach gut einem Kilometer endet der geräumte Teil und nur noch von Schneemobilen gespurte Wege gehen weiter. Das ist uns jetzt doch zu heikel. Ca. 20 Kilometer auf diese Weise durch den Wald? Allein unterwegs, wollen wir dieses Risiko, uns festzufahren nicht eingehen und ich wende an einer kleinen „Schneemobil-Kreuzung“. Uns begegnet ein Herr mit Hund und wir fragen ihn nach dem Weg nach Pokka. Er winkt ab und meint wir müssten zurück, über Levi fahren. Es hilft nichts, wir müssen die letzten 20 Kilometer und dann nochmal weitere 25 Kilometer zurück fahren und dann, ganz ordentlich kurz vor Levi, in die 955 einbiegen. Wir fühlen uns an unser kleines Abenteuer im Iran erinnert auf dem Weg zu einer bestimmten kleinen Kirche, als wir uns bei verschiedenen Einwohnern nach dem Weg erkundigen und einer meinte, yes, yes, immer geradeaus und der nächste meinte no, no, da kämen wir nicht durch. Damals hatten wir uns für die „Yes-Variante“ entschieden, waren aber auch mit zwei Fahrzeugen unterwegs, und hatten definitiv unser Abenteuer. Aber die Geschichte steht in unserem Oman-Bericht.

 

Angekommen auf der 955 entpuppt diese sich nach und nach wirklich als landschaftlich ausgesprochen schöne Straße. Anfänglich noch mit einigen Baustellen versehen, können wir mehr oder weniger die Landung von Heißluftballons beobachten. Am Straßenrand steht eine Kolonne deutscher Fahrzeuge mit Anhängern. Sie und die Ballonfahrer gehören offensichtlich zusammen. Ein paar Kilometer weiter fällt mir auf, dass die Gebiete rechts und links der Straße gut gesichert sind. Ein Blick auf Google Maps sagt mir, dass hier die Porsche Ice Driving Area Finnland ist. Das erklärt die Sicherheitsvorkehrungen.

Typische Kreuzung für/mit Schneemobilen

 

Je weiter wir fahren, desto einsamer wird es auf der Straße. Die Strecke von Levi nach Inari ist ca. 180 Kilometer lang, es gibt nur wenige Ortschaften und im Grunde keine Tankstellen. Die Dörfer sind als solche kaum zu erkennen. Es gibt quasi ein Ortsschild mit Namen und dann sieht man ab und an rechts und links freigeschobene Wege in den Wald, manchmal haben diese Wege einen Namen, oft aber nur eine Nummer und an der Anzahl der Briefkästen, die allesamt am Straßenrand stehen, lässt sich erahnen, wieviele Häuser wohl entlang des Weges, wer weiß wie tief im Wald versteckt, liegen. Von Menschen oder Geschäften keine Spur.

 

Der Wald ist nicht sonderlich hoch gewachsen in dieser Gegend, dafür ist alles wie verzaubert zugefroren. Jeder Baum ist bis in die Spitzen glitzernd weiß überzogen. Dazu die Sonne – wir können uns kaum satt sehen an diesem wunderschönen Anblick. Nach ca. 60 Kilometern kommt Pokka, einer dieser besagten unscheinbaren Orte. Aber Pokka hat sogar eine Bar und laut Straßenschild auch eine Tankstelle. Doch der Anblick der Zapfsäulen lässt uns nicht glauben, dass da noch was raus kommt. Wir parken unser Auto ca. 200 Meter weiter auf einem kleinen Parkplatz, der wieder einmal gleichzeitig Müllsammelstelle des Ortes ist. Es ist lausig kalt und so wird unsere anschließende Hunderunde nicht sehr lang. Paula fühlt sich sichtlich unwohl und wir bringen sie zurück ins Womo.

 

In Finnland brauchen wir wieder Masken und so packen wir uns welche ein und marschieren nochmal zur Bar, vielleicht ergibt sich irgend etwas nettes, wie ein leckeres Abendessen. Doch weit gefehlt. Drinnen eine Mischung aus Imbiss mit second hand Markt. Die ältere Dame hinter dem Tresen spricht kein Englisch, wir kein Finnisch und so ist die Kommunikation schmal. Sie scheint auch nicht sonderlich interessiert aber dennoch bestellen wir einen Tee und kaufen das einzig essbare, ein Stück Kuchen, auch wenn es uns dafür eigentlich schon zu spät ist. Die Dame verschwindet wieder in die hinteren Räumlichkeiten, vermutlich zum Fernseher, den wir laufen hören. Eigentlich hatte ich fragen wollen, ob die Rentierfelle, die dort auslagen, zu verkaufen seien aber das Fernsehprogramm war wohl spannender und wir zogen von dannen.

 

Hatte ich erwähnt, dass es kalt ist, ich meine bitter kalt? Ich habe unser Wohnmobil inspiziert und stelle fest, dass sich der Frost, trotzt Heizens und Lüftens, an einigen Stellen ziemlich weit ins Innere vorgearbeitet hat. Draußen hat es -29 Grad.

 

Wir wissen inzwischen, dass wir unserem Motor vor der Weiterfahrt einige Zeit zum Warmwerden gönnen müssen und starten ihn schon vor dem Frühstück. Klingt nicht gerade klimaschonend und Co2-neutral, ist aber ohne Standheizung nicht zu umgehen. Doch heute klingt der Startversuch noch kläglicher als die Tage zuvor. Die gesamte Elektronik hat sich bei der Kälte verabschiedet, es geht gar nichts. Mit meinem Infrarottemperaturmessgerät lese ich schlappe -43 Grad im Motorblock ab, ich kann es kaum glauben. Das muss ein Fehler sein. Wir prüfen, ob das Kühlwasser bereits eingefroren ist aber dem scheint zum Glück nicht so zu sein.

 

Gegen 10 Uhr kommt eine Frau mit einem T6 auf den Parkplatz, um eine Pause zu machen. Nach ihrem Frühstück fährt sie so an uns heran, dass sie uns Starthilfe geben kann. Doch Fehlanzeige, die Batterie des Bullis scheint es nicht zu schaffen, unserem IVECO den nötigen Booster zu geben.

 

Wir marschieren nochmal zur Bar. Diesmal steht ein Herr hinter der Theke und amüsiert sich über unsere Geschichte. Wir sind nicht die Ersten, die Probleme mit dem Motor haben und werden wohl auch nicht die Letzten sein. Er meinte, es sei die Nacht sehr kalt gewesen, minus 36 Grad und es habe immer noch minus 32 Grad. Wir bekommen von ihm eine Telefonnummer für den nächst gelegenen Pannendienst und er übernimmt auf finnisch die erste Kontaktaufnahme.

 

Die folgenden zwei Stunden habe ich viel Kontakt mit Elisa aus Kittilä. Sie sitzt im Büro und koordiniert die eingehenden Notfälle. Sie haben zwei Fahrzeuge und beide seien im Einsatz.

Wir tauschen Daten miteinander aus und ich schicke ihr ein Foto vom Fahrzeug, damit Sie einschätzen kann, was da wo steht. Elisa gibt mir den Preis durch, was es kosten würde, zu uns raus zu kommen, denn wir sind rund 60 Kilometer entfernt. Ich schlucke aber unter Umständen müssen wir in den sauren Apfel beißen. Elisa meldet sich wieder. Es ist unklar, ob wir nur einen ordentlichen Energieschub für unsere Batterie oder in eine Halle zum Auftauen geschleppt werden müssen. Im letzteren Falle müsse das größere Fahrzeug kommen und das sei derzeit in Rovaniemi, nochmal 100 Kilometer weiter entfernt. Außerdem sei ja Covid und der Fahrer habe Anweisung keine Personen im Abschleppwagen mitzunehmen, wir müssten also mit einem Taxi separat fahren,....großes Kino.

 

Während der ganzen Zeit lassen wir den Generator laufen und versuchen, unsere Batterie auf diese Weise aufzuladen, das dauert allerdings. Geduld ist nicht ganz unsere Stärke bei dieser Kälte, da auch die Anzeige für unseren Gasvorrat zum Heizen sich unerbittlich weiter bewegt und wir erst im 300 Kilometer entfernten Alta Gas tanken können. Inzwischen ist es 14 Uhr und Elisa fragt, ob der Fahrer losfahren soll? Ich bitte sie, noch zu warten, da ich inzwischen eine weitere Telefonnummer eines anderen Pannendienstes habe.

 

Gegen 15 Uhr kann Herbert einen vorbeifahrenden Sprinter aus Norwegen motivieren, anzuhalten. Es wird schon wieder langsam dunkel und, was viel schlimmer ist, auch wieder kälter. Der dritte Versuch mit dem Sprinter klappt und wir sind total erleichtert. Ich springe zurück ins Womo und greife nach einer Flasche Sekt, die ich den hilfsbereiten Herren noch schnell durchs Autofenster reiche, bevor sie ihren Weg fortsetzen.

 

Der Motor klingt gequält und wir werden ihn auch eine Stunde laufen lassen, bevor wir weiter fahren. Gegen 16 Uhr ist es zwar so gut wie dunkel aber wir machen uns auf den Weg ins rund 110 Kilometer entfernte Inari. Ein bisschen schade ist es, dass wir diese so verzauberte Landschaft nun nur im Dunkeln sehen aber das ist nun mal so. Gemeinsam halten wir die Augen auf, denn die Rentiere gehen sehr gerne auf den Straßen umher. Gegen 18 Uhr sind wir in Inari, tanken noch eine Runde und suchen uns ein Plätzchen für die Nacht. Die Temperaturen sind hier „nur“ bei minus 28 Grad und wir entscheiden uns für einen zentralen Schlafplatz, an dem sich ggf. schnell ein Helfer findet, falls unser Auto wieder keine Möge hat, anzuspringen. Gleichzeitig basteln wir mit Verlängerungskabel und dem Batterieladegerät eine Verbindung zwischen Wechselrichter (Aufbaubatterie) und Starterbatterie, um so vielleicht dafür zu sorgen, dass die inzwischen wieder volle Batterie sich nicht wieder entlädt. Anschließend gehen wir in einer Bar in der Nähe eine Pizza essen und trinken ein Bierchen als Absacker nach diesem Tag.

 

In der Nacht schlafe ich unruhig, horche immer wieder, ob die Heizung noch läuft und überprüfe, ob der Wechselrichter noch an ist und unsere Starterbatterie versorgt. Gegen drei ist der Wechselrichter aus und ich muss ihn neu starten, die Heizung läuft dagegen einwandfrei. Ich merke, dass ich auf dieser Reise im Grunde erstmalig unser Auto kennen lerne und Herbert amüsiert sich über meine vielen Fragen ....

 

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Kolari - Äkäslompolo - Pallas Yllästunturi

 

Von unserem Friedhofsplätzchen in Kolari aus ging es ca 60 Kilometer nach Äkäslompolo, einem kleinen Städtchen im Skigebiet Yllästunturi, kurz Ylläs genannt. Den Ortskern kann man einzig am Einkaufscenter mit Tankstelle festmachen. Drum herum noch ein paar Geschäfte mit Schnickedöns, einem Skiverleih, ein paar Kneipen und sogar einem ganz kleinen Bäcker. Ansonsten erstreckt sich der Ort mit unendlich vielen Ferienhäusern in Form von idyllischen Blockhäusern und kleinen Hotels im angrenzenden Wald entlang einem zugefrorenen See. Auf diesem See fährt regelmäßig eine Pistenraupe und präpariert die Wege für Spaziergänger, Radfahrer und Langläufer. Ein jeder bekommt hier seinen Bereich zugewiesen!

 

Wir finden einen Parkplatz im Wald zwischen den Ferienhäusern. Auch wenn die Häuser weitgehend belegt zu sein scheinen, wirkt es hier alles andere als voll. So teilen wir den Parkplatz am Tag mit ein paar Langläufern und gegen Abend mit Hundehaltern, die in einem Freilauf ihre Hunde für ein paar Minuten laufen lassen.

 

Wir erkunden zu Fuß die Umgebung und lassen den Tag ruhig ausklingen. Am nächsten Morgen dreht Paula eine kurze Morgenrunde im Freigehege, mehr interessiert sie morgens eh nicht, sie will nur zurück ins Womo und fressen. Nach dem Frühstück, es ist inzwischen fast 12 Uhr, laufe ich mit Paula zu Fuß über den See zum Zentrum, Herbert fährt mit dem Womo. Wir wollen uns Langlaufskier ausleihen und, während Paula im Womo schläft, ein paar Runden auf dem See drehen.

 

Gegen eins sind wir endlich mit dem nötigen Rüstzeug versehen und wagen uns in die Spur, nicht ohne uns zuvor noch schnell beim Bäcker mit frischem Roggenbrot und Kuchen für später einzudecken. Das Wetter ist ein Traum, Sonne satt. Knapp zwei Stunden fahren wir umher, kommen ganz schön ins Schwitzen, wagen uns in den Wald (keine gute Idee, da geht es nämlich rauf und runter und letzteres bekomme ich auf diesen schmalen Brettern nicht gut ausbalanciert, mein Steißbein lässt grüßen ;-)). Gegen drei ist Schluss, mehr geht nicht, in mir ruft es nach Café und Kuchen. Wir geben die Bretter ab und trinken im Womo in Ruhe einen Café. Gestärkt gehen wir noch in den Supermarkt. Hier gehen einem die Augen über, es gibt alles, was das Herz begehrt und noch einiges mehr. Wir füllen unsere Vorräte auf und verziehen uns wieder auf den Parkplatz von letzter Nacht.

 

Eigentlich wollte ich ja gerne mal wieder duschen, wäre nach so einer sportlichen Aktion vielleicht auch angebracht aber unser Wasser ist so gut wie alle und hier im Ort gibt es keines. Bisher gab es an allen Tankstellen Wasser zum Tanken. Zusammen mit einem Druckluftschlauch ist der Wasseranschluss mit Schlauch in so kleinen frostgeschützten Häuschen untergebracht aber an dieser Tankstelle ist nichts zu bekommen. Morgen müssen wir dann wohl zur nächsten Tankstelle ins 40 Kilometer entfernte Kittilä fahren.

 

Gegen 23 Uhr meldet sich wieder meine Aurora-App und macht mich flott. Herbert hat sich schon ins Schlafgemach verzogen während ich mich aufrüste. Es ist lausig kalt draußen und so ziehe ich an, was der Kleiderschrank hergibt. Eingepackt wie ein Michelin-Männchen komme ich kaum an meine Schuhe, um den Klettverschluss zu schließen. Hätte nicht gedacht, dass der ganze Kram, den wir vor zwei Jahren in Russland gekauft hatten, tatsächlich nochmal Verwendung findet. Warm eingepackt stapfe ich durch den knirschenden Schnee um unser Womo herum. Eigentlich sind um uns herum viel zu viele Laternen und die Häuser sind auch alle reichlich beleuchtet aber auf dem Parkplatz geht es. Ich könnte ja runter zum See gehen aber bin dann wohl doch zu schissig im Dunkeln die drei-vierhundert Meter durch den Wald zu tigern. Ich weiß nicht wie lange ich umherlaufe, den Kopf in den Nacken lege und in die sternenklare Nacht schaue, ob sich etwas tut. Und ganz plötzlich, als ob jemand auf die Starttaste gedrückt hätte, geht es los. Direkt über mir beginnt der Himmel grün leuchtende  Muster zu produzieren. Meine Begeisterung bleibt Herbert nicht verborgen und zügig springt er in seine Montur. Gemeinsam bestaunen wir die Lightshow am Himmel und gehen zusammen runter zum See. Wir sind nicht die einzigen, die sich auf den Weg gemacht haben. Zwanzig, dreißig Leute stehen mit Fotoapparat bewaffnet umher. Eine Zeit lang könnte man glauben der Zauber hat für diese Nacht ein Ende, doch dann flammt es nochmal auf und bizarre Muster lassen uns immer wieder erstaunen.

 

Gegen halb eins sind wir dann doch endlich im Bett, keinem von uns ist kalt geworden, obwohl das Thermometer schon bei minus 19 Grad angelangt ist. Wir sind gespannt, wie unser Womo die Kälte mitmacht.....

 

Gegen acht stehe ich auf und will mir einen Tee kochen. Die Pumpe läuft trocken, es kommt kein Wasser aus dem Hahn. Sollte das Wasser schon gänzlich alle sein? Der Bordcomputer sagt eigentlich noch einen Füllstand von 20%. Im Kessel ist noch Wasser und ich gieße die Reste aus unseren Trinkflaschen dazu. Mehr gibt es nicht. Nicht nur nicht duschen, sondern nicht mal eine Katzenwäsche ist angesagt,  langsam wird es grenzwertig ;-). Überall hinterlässt der Frost seine Spuren. Der Türgriff und die Scharniere zum Fahrerhaus sind aus Metall und somit Kältebrücken. Kondenswasser ist zu Eiskristallen gefroren. Ebenso an den Fenstern. Wir starten den Wagen schon vor dem Frühstück, damit der Motor sich ein wenig aufwärmen kann. Vier Anläufe braucht Herbert, bevor der Wagen läuft. Wir haben leider keine Standheizung. Gut, dass wir vor der Abreise noch die Batterie erneuert haben. Die alte hätte spätestens hier ihren Dienst versagt. Laut Bordcomputer hat es draußen minus 28 Grad.

 

In Kittilä tanken wir Wasser und Diesel auf, doch die Pumpe funktioniert leider immer noch nicht. Wir stehen auf einem Supermarktparkplatz und sind ein wenig ratlos. Was kann da eingefroren sein und warum? Wir stellen nachts die Heizung auf 16 Grad, tags läuft sie auf 19 -21 Grad. Unsere Annahme ist, dass der Wasservorrat im Tank zu wenig war und der tiefe Frost es doch geschafft hat das wenige Wasser zumindest im Schlauch, der zur Pumpe führt, zu gefrieren. Ein kleiner Propfen reicht und nichts geht. Wir versuchen kochendes Wasser mit einem Minitrichter in den Schlauch zu bekommen – vergeblich. Dann versucht Herbert mit dem Druckluftkompressor den Schlauch frei zu bekommen, doch auch das will nicht funktionieren.

Wir beschließen, uns im Supermarkt mit Wasserflaschen einzudecken und weiterzufahren. Was solls, dann wird eben irgendwann anders geduscht. Zur Not können wir einen Campingplatz oder ein Hotel ansteuern.

 

Wir fahren Richtung Pallas-Yllästunturin Nationalpark. Auf halbem Weg sehe ich ein Schild, dass auf eine Galerie/Café hinweist. Mitten in der Botnik im Nirgendwo biegen wir kurzer Hand ab und statten dem Häuschen einen Besuch ab. Vor uns kommt gerade ein Trupp Männer, Franzosen, mit ihren Snowmobilen an und steuert ebenfalls auf das Café zu.

Im Inneren werden wir von einer auffallend großen, farbenfroh bekleideten und eine rote Brille tragenden Frau begrüßt. Woher wir kämen, fragt sie uns und wechselt umgehend in akzentfreies Deutsch. Wir bekommen das Haus mit seiner Geschichte und seinen vielfachen Anbauten erklärt. Der eigentliche Künstler ist ihr Mann. Er huscht in Filzpantoffeln an den Füßen zwischen Küche und der Gruppe Franzosen, die offensichtlich gemeinsam eine Snowmobiltour mit Verpflegung gebucht haben, hin und her. Zwischendurch greift er zu einer Mandoline (so ganz sicher bin ich mir da nicht) und macht Musik. Die Herren bekommen eine, so wie es duftet bestimmt ausgezeichnete Suppe, serviert, während wir durch die Räumlichkeiten schlendern und uns die ausgestellten Bilder ansehen. In der Mitte des Raumes ist ein Tisch mit Kaffee, Tee und einem Topfkuchen zur Selbstbedienung gedeckt. Wir versorgen uns und beobachten das Geschehen um uns herum, während der Herr des Hauses immer wieder zwischen eigenem Kaffeetisch in seiner Küche und einem Liedchen für seine Gäste hin und her springt. Ich mag diesen Ort, hier würde ich gerne länger verweilen.

Ich schätze sie auf Anfang 60, während sein Jahrgang 1950 ist, wie auf einer der ausgehängten Dokumentationen zu lesen ist. Den Fotos und der Einrichtung nach zu urteilen, finden hier häufig musikalische Kleinkunstveranstaltungen statt. Sie hat in den 70er- Jahren in Köln studiert. Er hat mit ca. 20 sich in der Nachbarschaft seines Elternhauses eine kleine Hütte gesucht, um, wie sie uns erzählte, den, bei elf Geschwistern zahlreichen, Kritikern seiner Malereien zu entgehen. Nach dem Studium hat er sich ein kleines Atelier an die Hütte angebaut und gemeinsam haben sie nach und nach diesen Ort erschaffen. Seine Bilder handeln viel von der großartigen Natur hier oben aber auch auffallend viel von sinnlich miteinander tanzenden Menschen.

 

Wir ziehen weiter, zufrieden mit uns, diesem Ort einen Zwischenstopp gewidmet zu haben. Schlussendlich landen wir ganz oben vor dem Pallastunturi Besucherzentrum, mitten im Nationalpark. Die Sorge vor zu viel Kälte lässt uns ein windgeschütztes Plätzchen im Schatten des Gebäudes beziehen. Das Besucherzentrum ist über das Wochenende leider geschlossen und so stören wir niemanden.

 

Während ich draußen unser Abendessen koche, es gibt gebratenen Fisch mit warmem Kartoffelsalat, widmet sich Herbert noch einmal unserem Wasserproblem. Bislang läuft die Wasserpumpe trocken. Erneut nimmt er den Kompressor zur Hilfe und welch ein Jubel, er bekommt die Leitung nach einigen Versuchen frei. Einer heißen Dusche steht also nichts mehr im Wege.

 

Wir räumen unseren Stellplatz direkt vor dem Haupteingang des Besucherzentrums, nachdem wir eine kleine zwei-stündige Wanderung auf einen der umliegenden „Hügel“ gemacht haben und fahren noch ein paar Kilometer weiter. ...

 

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Erste Polarlichter

Totenstill ist es an unserem heutigen Übernachtungsplätzchen gewesen. Mag einerseits an der ruhigen Nachbarschaft liegen, wir stehen auf dem Parkplatz eines Friedhofs, aber auch an der Windstille. Kein Lüftchen bringt die Bäume über uns in Wallung oder trägt Geräusche des nahen Städtchens zu uns herüber. So haben wir eine geruhsame Nacht verbracht, unsere erste in Finnland.

 

Gestern sind wir nach Finnland eingereist. Nachdem wir vorgestern in Gällivare beim Tierarzt waren und Paula die nötige Wurmkur verpasst bekommen hat. Natürlich hat sie die Tabletten im Beisein der Arzthelferin nicht ohne weiteres geschluckt und das bereitgestellte Futter herausgepickt. So hat Herbert aus dem Kühlschrank die Dose Leberwurst geholt und fluppdiwupp ein Schluck und die Wurmkur ward von Paula inhaliert. Typisch. Datum und Uhrzeit wurden im Impfpass vermerkt, 40 € wechselten den Besitzer und Paula war ordnungsgemäß für einen Grenzübertritt vorbereitet. Vorher gab es noch Unstimmigkeiten wegen ihrer Tollwutimpfung, keiner in der Praxis kannte den Impfstoff. Man hat das alles schon recht genau genommen, so wurde auch der Chip kontrolliert und mit dem Impfpass abgeglichen. Es wurde telefoniert und im Internet recherchiert. Letztlich war alles ok und wir konnten von dannen ziehen. Wir müssen nun 24 Stunden abwarten und haben maximal 120 Stunden (5 Tage) Zeit, die Grenze zu überqueren, so lange berechtigt die Verabreichung der Wurmkur zum Grenzübertritt.  

 

Wir schlendern noch eine Runde durch den eher weniger schönen Ort, allerdings ist es kalt und zugig. Keine gute Kombination: kalt, zugig und hässlich, ergo verlassen wir die Stadt und machen uns auf den Weg Richtung Pajala. Ich studiere derweil das Internet und prüfe, was wir erledigen müssen, um Corona-Regelkonform die Grenze zu passieren, während Herbert fährt. Wir sind beide geboostert, das erleichtert so einiges, allerdings möchte man an der Grenze einen aktuellen negativen Testnachweis, nicht älter als 24 Stunden, sehen. Kein Problem. Wir hatten den Tipp bekommen, ausreichend Selbsttests einzupacken und dann via www.covidonlinetest jederzeit einen Videotest machen zu können. Herbert meinte jedoch, abwarten, schließlich haben die Schweden bei der Einreise auch nichts sehen wollen. Den Test können wir auch noch vor Ort machen. Tatsächlich ist der Grenzübergang niedlich und liegt einsam und verlassen hinter einer schmalen Brücke, die über den Grenzfluss führt. Die Telekom macht uns per sms darauf aufmerksam, dass wir nun in Finnland sind, mehr passiert aber auch nicht.

 

Ich muss jetzt aber Rückwärts erzählen. Die letzte Nacht hatten wir einen super Stellplatz auf einem Berg. Wie immer ging es Kilometer für Kilometer durch den Wald, gleichzeitig auch sanft aufwärts. Es gibt hier nicht wirklich Berge, nennen wir sie mal eher Hügel. Oben auf dem vor uns liegenden Hügel standen zwei Windräder. Davon haben wir hier noch nicht sehr viele gesehen. Auf der Anhöhe angekommen gab es eine Kreuzung und der Abzweig nach rechts ging in den Wald hinein ins Nirgendwo. Es stellte sich heraus, dass es die Zufahrt für die Windräder war. Der viele zusammengeschobene Schnee muss ja auch immer irgendwo hin und so ergibt es sich wie hier manchmal, dass die Schneemobile den Schnee so weit in die Seite schieben, dass auch noch genug Platz für uns als Stellplatz bleibt, ohne den Verkehr zu behindern. Also Verkehr ist gut gesagt, ein Auto und ein Schneemobil sind am nächsten Morgen an uns vorbei gefahren, ansonsten absolute Ruhe.

Outdoorküche

 

Es gibt Kaspressknödel mit Rahmporree

Das Gute an dem Plätzchen war die absolute Dunkelheit. Keinerlei Lichtverschmutzung und ein Sternenhimmel der seinesgleichen sucht, ein Traum. Gegen 20 Uhr gab meine Aurora App mir ein Zeichen, dass in der nächsten Stunde mit Nordlichtern zu rechnen sei, vorausgesetzt die Bewölkung spielt mit. Wir haben uns warm angezogen und sind raus in die Finsternis. Bisher waren nur ein paar Wolken aufgezogen, noch nicht viel, denn für die Nacht war Schneefall angekündigt. Gut eine Stunde sind wir umhergegangen und haben den Himmel bestaunt. Wir wussten ja nicht, worauf wir eigentlich achten müssen, doch es war sehr beeindruckend, was sich da nach und nach am Himmelszelt abgespielt hat. Wir waren begeistert! Irgendwann war uns aber doch zu kalt und wir sind rein ins Warme, außerdem hatten wir den Eindruck, dass das Schauspiel der Natur sich langsam verzieht. Ich werde morgen unsere Klamotten umpacken. Unsere warmen Anzüge aus Russland hervorkramen und all die Jacken, die hier eh nicht gebraucht werden, kommen unter die Sitzbank. Das Polarjagdfieber hat uns gepackt.


Unsere ersten Polarlichter

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Jokkmokk

Das ca. 90 Kilometer entfernte Jokkmokk steht auf dem heutigen Tagesprogramm. Dort hätte ohne Corona Anfang Februar der alljährliche Wintermarkt stattgefunden. DAS Highlight des Nordens aber Omikron hat dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Blick auf Jokkmokk

 

Wir erkunden das kleine Örtchen und schlendern durch und um den Ort. Nur 2400 Einwohner verteilen sich auf der Fläche, die Straßen und Wege sind auffallend breit, alles ist weiß, überall festgefahrene Schneedecken, zwischendurch Berge von zusammengeschobenem Schnee. Um den Ort liegen ein Fluss und ein zugefrorener See, über den die Leute ihren Sonntagsspaziergang machen. Wir machen es den Einheimischen nach, denn 5 Grad plus heißt für mich Tauwetter, doch das scheint dem Eis auf dem See nichts auszumachen. Ein Schneemobil überquert mit rasender Geschwindigkeit den See und in einem Teilbereich ist ein großes Oval, wie die Tartanbahn auf einem Sportplatz, freigeschoben. Vermutlich zum Schlittschuhlaufen, doch heute drehen nur wir und noch zwei andere eine Runde zum Spaß auf einem der bereit stehenden Stehschlitten, einem Rollator auf Kufen. Alles wirkt hier so gemütlich, nicht zuletzt durch die vielen Lichter, mit denen ein jeder hier seine Fenster illuminiert. Weihnachten ist noch sehr präsent.

 

Für die Nacht stellen wir uns auf den Parkplatz an einem nahegelegenen Stausee. Ich möchte nicht im Ort stehen, da ich gerne draußen kochen wollte. Unmittelbar nach uns fährt ein junger Mann mit seinem T5 ebenfalls auf den Parkplatz und sucht sich ein gerades Plätzchen für die Nacht. Wir rangieren noch einen Moment herum, bis mein geplantes Kochplätzchen mit dem Zugang zur Gasflasche im Windschatten liegt, tauschen uns noch eine Runde mit dem T5-Fahrer aus, bevor ein jeder sich der Zubereitung seines Abendessens widmet. Auch hier gibt es Picknickbänke und Feuerstellen, doch das bereit liegende Holz ist zu nass, wir bekommen es nicht in die Gänge.

 

Die Nacht war zugig. Der Wind frischte in Böen immer wieder stark auf und brachte unser Wohnmobil leidlich zum Schaukeln, wir hätten uns nach dem Kochen vielleicht noch ein bisschen mehr in den Wind stellen sollen. Tatsächlich überprüfe ich die Windrichtung aus der Vorhersage vom Windfinder und die Ausrichtung des Wohnmobils mit dem Kompass und denke mir „passt halbwegs“. In der Nacht waren es laut App 17 kn, in Böen 42 kn und im Augenblick sind es 13 kn, in Böen 30 kn, das pustet schon ganz ordentlich. Dazu kommen die Pfeifgeräusche, da fehlt nur noch das Schlagen der Fallen und wir fühlen uns, wie in der Koje auf einem Segelboot. Gemütlich und nervig zugleich.

Zugiges Plätzchen

 

Wir sind ein bisschen unentschlossen, wie wir weiter fahren. Bleiben wir in Schweden oder fahren wir Richtung Finnland. Für Finnland bräuchten wir eine Wurmkur für Paula und mithin einen Tierarzt. Die Tierarztpraxis in Jokkmokk macht erst am Mittwoch auf und wir haben Montag. Im 70 Kilometer nördlich liegenden Gällivare gibt es eine Tierklinik und wir entscheiden, eine Schleife abseits der E45 zu fahren und so über kleine Ortschaften (Nattavaara) quer durch den Muddus Nationalpark zu fahren. Wieder stellen wir fest, dass es schwierig ist, einen Stellplatz zu finden. Ca. 24 Kilometer vor Gällivare ist ein Wanderparkplatz ausgeschildert. Natürlich ist er nicht frei geschoben aber die Einfahrt ist von den Schneemobilen so platt gefahren, dass wir uns ein paar Meter rückwärts hineinmanövrieren. Die Straße ist zwar nur zehn Meter entfernt aber bei so wenig Verkehr macht das überhaupt nichts.

 

Dank der Spuren der Schneemobile können wir noch im Hellen einen großen Spaziergang in ein Gebiet mit Wochenendhäusern machen. Vermutlich waren einige Eigentümer am Wochenende bei Ihren Häuschen, andernfalls ist das Spazierengehen insbesondere für Paula zu beschwerlich aber auch für uns im tiefen Schnee ohne Schneeschuhe kein Geschenk.

Abendrunde auf gespurten Wegen

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Wir werden langsamer

Es geht weiter Richtung Norden, wir schlendern noch durch Örnsköldsvik, bewundern die ausgefallene Architektur und die Skisprungschanzen, die gefühlt mitten in der Stadt enden. Umeå lassen wir rechts liegen und fahren zum Storforsens Naturreservat, wo es den größten und ungebändigtsten Wasserfall des Nordens geben soll. Auf dem Weg dahin stellen wir fest, dass es nicht immer einfach ist, einen Stellplatz für die Nacht zu finden, da viele Park- und Wanderparkplätze, die wir bevorzugt ansteuern, nicht geräumt sind. Bei den Schneemassen hier oben und ohne jemanden in der Nähe, der uns ggf. helfen könnte, falls wir uns fest fahren, macht es keinen Sinn, dass wir uns selber einen Weg bahnen, zumindest nicht im Dunkeln.

 

Im Naturreservat angekommen, stehen auf dem riesigen Parkplatz nur eine Handvoll PKWs. Wir sind „spät“, es ist schon 14:30 Uhr, schnell schieben wir uns noch eine Stulle zwischen die Kiemen und machen uns auf den Weg, bevor es zu dunkel ist. Im Sommer muss hier der Bär los sein. Zwei große Parkplätze sind auf google Maps zu sehen und dazu jede Menge Busse, mit denen die Touristen hergekarrt werden. In diesem Augenblick sind wir gefühlt ganz alleine auf den Holzstegen, die sich durch das Areal schlängeln, unterwegs.

 

Der Wasserfall - oder besser die Stromschnellen - beeindrucken nicht durch ihre Fallhöhe, sondern durch die gewaltigen Wassermassen, die hier sich tosend ihren Weg bahnen. Jetzt im Winter kommen noch die bizarren Eisformationen dazu.  Bis in die 80er Jahre hinein wurde das Holz auf diesem Weg aus den Wäldern entlang des Pit-Flusses geflösst. Im Sommer kann man (angeblich, mir wäre es bestimmt zu kalt) in kleinen Becken, die sich an der Seiten gebildet haben, baden und überall in dem Gebiet sind kleine Picknickbereiche eingerichtet mit Bänken und Feuer- bzw. Grillstellen. Für Deutsche beeindruckend, dass es auch eine Zuwegung zu den Stromschnellen mit Grillplatz für Rollstuhlfahrer gibt. Aber, dass war mir ja schon vor zwei Jahren in Finnland und nun hier auch wieder aufgefallen, das es überall Einrichtungen für Rollstuhlfahrer gibt. Gefühlt ist jedes WC-Häuschen im Wald  Rollstuhl gerecht eingerichtet, zumindest dort, wo auch der Wanderweg für Rollstuhlfahrer geeignet ist.

 


Anderthalb Stunden erkunden wir das Gebiet und stapfen noch eine Runde durch den Wald, dann sind wir zurück auf dem Parkplatz, den wir nun für uns ganz alleine haben. Die Ruhe der Nacht wird irgendwann vom Rauschen des Wassers untermalt, der Wind scheint gedreht zu haben und nun die Geräuschkulisse zu uns zu tragen und gegen drei meint eine Gruppe junger Männer grölend und Feuerwerkskörper knallend den Stromschnellen einen nächtlichen Besuch abstatten zu müssen. Ansonsten haben wir hervorragend geschlafen.

 Für den Morgenspaziergang haben wir das Gelände für uns ganz alleine und Herbert möchte die Drohne ausprobieren. Doch so ganz richtig klappt der Versuch noch nicht und die Sorge, das kleine Teil in den Stromschnellen zu verlieren lässt uns den Versuch abbrechen. Wir sollten besser auf einfacherem Terrain üben.

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Erste Etappen in Schweden

Das Wetter macht die Entscheidung einfach, in großen Etappen geht es entlang der Küste mit Übernachtungsstopps in Norrköpping vorbei an Stockholm, mit Übernachtung in Söderhamn, weiter nach Örnskoldsvik. Hier machen wir Zwischenstop im Outletshop von Fjäll Raven. Der Laden ist riesig und ein Paradies für Outdoorfreunde. Es gibt einfach alles und das nicht nur von Fjäll Raven. Am Nachmittag geht es weiter bis zu einem Wanderparkplatz bei Umeå.

Parkplatz in Lindö bei Norrköping

Parkplatz in Lindö bei Norrköping

 

Hier übernachten wir wunderbar abgeschieden und ruhig. Inzwischen ist es um uns herum kontinuierlich alles weiß. Es muss jedoch vor einigen Tagen massiv getaut haben, denn die Straßen sind komplett vereist. Die Hauptverbindungsstraße in den Norden, die E4, ist geräumt aber die Nebenstraßen sind vereist, was die Einheimischen nicht daran hindert, zügig durch die Gegend zu fahren.

Wir machen einen Tag Pause. Die Sonne scheint und wir wandern im Zickzack durch das kleine Naturreservat Strömbäck-Kont. Vier Stunden sind wir unterwegs und nutzen fast die gesamte Zeit, in der die Sonne sich tapfer über dem Horizont hält. Für meine Verhältnisse beginnen die Tage spät, zumindest schlafe ich hier (meistens) länger und wache erst gegen acht mit Dämmerung auf. Morgendämmerung dauert gefühlt ewig. Offizieller Sonnenaufgang ist hier im Moment gegen 9 Uhr und auch dann schafft die Sonne es nicht sehr weit nach oben am Firmament, wenn sie denn scheint! Bis gegen 14 Uhr ist es dann hell und leuchtend, doch durch den permanent niedrigen Stand am Horizont ist alles stets in ein magisches Licht getaucht. Die blaue Abendstunde beginnt hier bereits gegen 14:30 Uhr und endet gegen 16:30 Uhr um fünf ist es finster und zwar richtig finster. In dieser Zeit ist das Licht etwas ganz Besonderes und changiert durch alle Lila-Blautöne, die der Farbkasten der Natur so zusammenmischen kann. Dazu das Weiß von Schnee und Eis, die besondere Stille, die es für mich nur im Winter zu hören und zu fühlen gibt, das alles zu erleben sind, für mich Glücksmomente.

Hunderunde morgens um 10 Uhr

11.44 Uhr, viel höher schafft die Sonne es nicht in diesen Tagen

Hier im Strömbäck Naturreservat sind sogar die Wanderwege präpariert, ein Geschenk für Paula und nicht zuletzt auch für uns. Manche Wege sind nur Trampelpfade, was das Wandern im Schnee etwas beschwerlicher macht. Dabei ist der Schnee gar nicht so hoch, ich schätze 30 cm, doch durch die kurze aber heftige Tauphase mit anschließendem Frost ist alles von einer mehr oder weniger dicken Eisschicht überzogen und Paula zieht es vor, ihre Pfoten in unsere Spuren zu setzen, da die Eisschicht sie nicht immer trägt. In Summe sind wir knapp 12 Kilometer unterwegs, nicht besonders viel aber eine Wohltat nach den Tagen des Fahrens.

Geniale Infrastruktur wie überall im Norden

Wegweiser mit Reflektoren, so finden wir auch im Dunkeln mit Stirnlampe unseren Weg

Apropos „Fahren“ ;-) , erstmals muss Herbert das Fahren mit mir teilen. Lag mein Anteil am Steuer des Iveco bisher bei 2% der Reisestrecke, dürfte er sich bislang so bei 40% bewegen. Verglichen mit dem Sprinter, dem ich hinsichtlich des Fahrverhaltens einfach immer noch ein wenig nachtrauere, fremdel ich nach wie vor mit dem doch eher robusten und ruckeligen Iveco. Dem kann ich nur durch mehr Routine entgegensteuern und so habe ich Herby gebeten, mich darin zu unterstützen, dass ich es mir nicht jeden Tag automatisch auf dem Beifahrersitz bequem mache. Auch Schnee und Eis müssen zur Gewohnheit werden aber das gelingt uns bisher ganz gut, auch wenn ich immer noch ein paar Kilometer brauche, bevor meine Anspannung nachlässt.

Fahren, ein eisiges Vergnügen für Ungeübte

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Rückblick

Wir stehen im hohen Norden, auf einem Wanderparkplatz vor Umeå im Strömbäck Naturreservat und ich beginne wieder zu schreiben. Gut eine Woche sind wir wieder unterwegs. Gestartet spät abends, eigentlich zu spät aber meine Ungeduld war zu groß und so habe ich gedrängelt, loszufahren als gegen 17/18 Uhr endlich alles im Womo verstaut war. Noch eine letzte Abschiedsrunde bei den Nachbarn, Nina und Mama. Versorgt mit frisch gekochter Erdbeermarmelade (doch Mama, die Marmelade ist fest geworden und schmeckt ausgezeichnet!) und einer großen Flasche Ingwershot rollen wir Richtung Autobahn als sich der Abendbrothunger in den Vordergrund drängelt. Herbert lässt die Auffahrt zur A7 links liegen und wir steuern das Don´s an. Nicht das erste Mal, dass wir so verfahren und zum Auftakt einer Reise uns gleich quasi hinter dem heimatlichen Ortsschild stärken. Gegen halb acht geht es dann aber wirklich auf die Autobahn und wir fahren entspannt bis Dorfmark, wo wir die erste Nacht verbringen.

Veggi-Burger mit Chilli-Cheese-Fries, nicht gerade gesund aber lecker

Eigentlich kann man an diesem Stellplatz eine gute Hunderunde drehen, doch Regen und Matsch lassen uns alles auf das Nötigste reduzieren und weiter geht es nach Hamburg. Dort angekommen erstürmen wir gleich einen Outdoorladen und schauen uns nach den Dingen um, von denen wir glauben, dass wir ohne sie im Norden erfrieren. Doch erfolgreiches Shopping sieht anders aus und so verlassen wir mit zwei Mützen und einem Langarmshirt unter´m Arm das Geschäft und fahren zu Olli und Larry.

Wir verlassen Travemünde

Es ist Freitagabend und am nächsten Morgen geht es um zehn mit der Fähre von Travemünde nach Trelleborg. In Wandsbek springen wir um kurz vor 20 Uhr noch schnell in den Bauhausmarkt und erstehen einen Stromgenerator, falls wir doch mal, wegen der Kälte oder mangelnder Sonne, Probleme mit unseren Batterien bekommen sollten. Es ist ein bisschen wie mit den Schneeketten, unsere Annahme ist, dass wir weder den Generator, noch die Schneeketten auf der Reise brauchen werden, doch Haben ist besser als Brauchen.

Für die Nacht fahren wir nach Reinfeld, kurz vor Lübeck. Im dortigen famila-Zentrum war die einzige Möglichkeit morgens noch einen Termin für den Covid-Test zu bekommen. In Travemünde gab es keine freien Termine mehr. Wir übernachten im Gewerbegebiet, tanken nochmal zu deutschen Preisen, bevor wir für jeden Liter Diesel zwei Euro berappen müssen und machen uns auf den Weg zur Fähre.

In Trelleborg angekommen, will niemand sehen, ob wir einen negativen Coronatest vorweisen können. Ohne Halt fahren wir aus dem Hafengelände und steuern unseren ersten Übernachtungsplatz in Schweden an. Wir fahren gleich Richtung Norden und haben uns einen kleinen Wanderparkplatz abseits der Straßen in einem Waldstück bei park4nigth rausgesucht. Arme Paula, die Hunderunde im Dunkeln fällt ziemlich dürftig aus.

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