Zurück in Schweden

Nach unserem „Ruhetag“ kommt wieder ein Fahrtag. Wir entscheiden die E6 zu verlassen und via E77 nach Schweden auf die E95 zu nehmen. Die E6 entlang der norwegischen Küste weiter zu fahren hätte sicherlich landschaftlich seinen Reiz, doch es zieht uns ins Hinterland, um mehr Einsamkeit und Stille zu finden. Und was soll ich sagen.... gesucht und gefunden!

 

Rund 170 Kilometer sind wir gefahren, kontinuierlich auf einer Höhe von 450-500 Metern. Die norwegisch-schwedische Grenze befindet sich auf einem Hochplateau. Der Himmel ist bewölkt und entsprechend grau ist alles um uns herum, die Sicht nur mäßig. Immer wieder Parkplätze und Parkbuchten, alle voll mit Autos nebst Anhängern, nur zu sehen ist niemand (wenn ich von „voll“ spreche, dann reden wir hier über 20 oder 30 Autos). In den Anhängern transportieren die Skandinavier ihr liebstes Spielzeug, das Snowmobil, in manchen sogar zwei. In der Ferne können wir beobachten, wie sie kreuz und quer über die Hügel düsen. Zwischendurch entdecke ich drei Erlkönige von BMW.

 Entlang der Strecke reiht sich ein See an den anderen. Hier und da gibt es Campingplätze, die mit Dauercampern belegt sind. Bis zum ersten Ort auf schwedischer Seite sind es genau 100 Kilometer. Bis dahin nichts weiter als Wälder und Wasser. In Jäkkvik gibt es einen Supermarkt und eine kleine Tankstelle, die den Eindruck erweckt, als wäre sie ausschließlich für Snowmobile gedacht.

Nachdem wir unsere Vorräte aufgefüllt haben, beschließen wir uns ein Plätzchen für die nächste Nacht zu suchen, auch wenn es erst Mittag ist. Doch ich ahne es, ganz so leicht wird das nicht. Hinter Jäkkvik nehmen wir den erstbesten Abzweig der sich bietet und landen nach sieben Kilometern auf einem privaten Grundstück. Vorher ist nichts zu machen. Es geht nirgends rechts oder links hinein in eine kleine Lücke. Wir fahren zurück und nehmen die nächste Abzweigung, diesmal nach rechts und nicht in eine Sackgasse, sondern in unsere geplante Richtung. Auch hier das gleiche Problem, recht und links ist der Schnee so hoch getürmt, dass wir nicht mal eben reinfahren können. Wir kommen in ein kleines Örtchen, Laisvall, und ja, hier könnte man stehen, aber irgendwie nur semischön. Wir fahren weiter, wenn sich nichts findet könnten wir ja zurück fahren. Drei Kilometer weiter kommen wir nach Laisvallby. Das ist es, mal wieder gesucht und gefunden. Wir fahren im Ort bis runter an den See und finden gleich am Ufer neben einem alten geschlossenen „Lanthandel“ einen wunderschönen Stellplatz. Der See ist riesig, es schneit und wir machen gleich erst einmal einen kleinen Spaziergang rüber ans andere Ufer, bevor es dunkel ist. Die einzigen, die hier unterwegs sind, sind wieder Snowmobilfahrer. Sie kommen quer über den See und fahren zu ihren Häusern. Der Schnee schluckt alle Geräusche, es ist unglaublich still hier.

Die Nacht ist, wie so viele hier oben, geprägt von unglaublicher Stille. Keinerlei Geräusche dringen aus der Ferne zu uns, einfach absolute Ruhe. Nach dem Frühstück drehen wir noch eine Runde durch den Ort. Ich schätze rund zwanzig Häuser verteilen sich hier, davon vielleicht die Hälfte derzeit bewohnt. Mich erinnert es hier sehr an Borek. Für mich wieder ein Ort zum Bleiben.

Gegen 12 Uhr starten wir wieder weiter. Wir wollen uns langsam Richtung Süden schlängeln. Dabei bevorzugen wir kleinere Nebenstraßen und weniger die großen Direktverbindungen. Solange der Winter sich hier von seiner schönsten Seite zeigt und uns mit Mengen an trockenem weißem Schnee verwöhnt, werden wir nicht schneller werden. Sobald Matsche und Feuchtigkeit das Regiment übernehmen, werden wir zügig gen Heimat reisen.

Zweieinhalb Stunden sind wir unterwegs und begegnen zwei Pkw´s, sowie zwei Schneepflügen, sonst niemandem. Es geht Kilometer für Kilometer durch verschneite Wälder, vorbei an zugefrorenen Seen. Wir sind langsam, die Straßen nur bedingt geräumt. Unseren Mittagskaffee trinken wir im Grunde mitten auf der Straße. Es ergibt sich einfach keine Parkmöglichkeit. Nicht einmal die sonst geräumten „M“- Buchten (das M steht hier für „mötesplats“ und heißt wörtlich: Platz, wo man sich trifft) sind geräumt, wird also eh eng, wenn jemand entgegen kommt. Die Begegnung vorhin mit dem Schneepflug war schon Millimeterarbeit, jetzt sind wir in einer noch schmaleren Straße.

Die nächste Stadt mit Einkaufsmöglichkeit ist Sorsele. Ich habe vergessen Butter zu kaufen und springe schnell in den örtlichen Coop-Markt. Als ich die Verkäuferin nach Rotbuschtee frage, antwortet sie mir auf Deutsch und gemeinsam suchen wir im Tee-Regal und werden fündig. Jetzt ist aber natürlich meine Neugier geweckt und ich frage sie, was sie hierher in den Norden verschlagen hat. Der Winter, ist ihre Antwort. Dem Dialekt nach kommt sie irgendwo aus dem Ruhrpott. Seit 12 Jahren lebt sie mit Ehemann und sieben Hunden hier. Schweden kenne keine Hundesteuer, erklärt sie mir. Außerdem könne man sich hier noch Haus und Grundstück leisten, es lebe sich einfach gut hier und sie liebe den Winter, auch wenn es langsam mal aufhören könnte zu schneien. Einzig der Juli und August wären nicht so schön hier, wegen der schier endlos vielen Mücken. 60 Kilometer fährt sie zu ihrer Arbeit, dafür lebt sie in einem Haus mitten im Wald an einem See, der nächste Nachbar rund 700 m entfernt, besser geht es nicht, meint sie. Es seien viele deutschsprachige Auswanderer hier oben. Auch wenn hier in Schweden die Supermärkte an allen sieben Tagen die Woche geöffnet hätten, Deutsche, Österreicher und Schweizer kommen vermutlich aus reiner Gewohnheit immer Montags zum Einkaufen, erzählt sie lachend. Dann würde sie mehr Deutsch als Schwedisch sprechen. Ich frage sie, wo die Menschen hier arbeiten würden, wenn sie so verstreut und fern in den Wäldern leben. Es gäbe viele, die in der Holzwirtschaft oder als LKW-Fahrer arbeiten würden oder aber an der Küste ihren Job hätten und nur an den Wochenenden nach Hause kämen. Ich zügle meine Neugier und verabschiede mich, schließlich wartet Herbert im Auto und wir müssen uns noch unser Plätzchen für die Nacht suchen.

Es dauert wieder einige Kilometer, aber wir finden auch für diese Nacht mitten im Wald ein abgelegenes Plätzchen für uns. Im letzten Licht drehen wir noch eine Hunderunde, bevor ich draußen unseren Fisch brate, den es zu unseren gebackenen Kartoffeln aus dem Omnia gibt (Dank an „Womoleben“ für die Anregung ;-)).

Am nächsten Morgen, das Teewasser beginnt gerade zu kochen, höre ich Motorengeräusche näher kommen. Ein Trecker mit Schneepflug beginnt um uns herum alles schön „sauber“ zu machen. Er kommt immer dichter und so schlüpfe ich flugs in meine Klamotten, um zu klären, ob wir vielleicht Platz machen sollen. Der Herr kommt ebenfalls aus seiner Fahrerkabine und meint zu mir, wir sollten in Ruhe frühstücken und unseren Kaffee trinken, er käme in einer Stunde nochmal, um den Rest zu schieben. Ich fürchte Herbert muss nun auch langsam aufstehen J.

 Auf diese Weise rollen wir um neun Uhr schon wieder durch tiefverschneite Wälder. Die Belohnung winkt nach einigen Kilometern, als wir auf einem See drei Elche entdecken. Zur Vollendung unseres Glücks kommen wir direkt an einer Parkbucht vorbei, so dass wir anhalten können und die Drei ausgiebig mit unserem Fernglas beobachten können.

Wir sind mal wieder auf der Suche nach Wasser und steuern jede Tankstelle, die auf dem Weg liegt an. Ich gehe rein, um zu fragen und komme mal wieder nicht raus. Auch hier werde ich auf Deutsch bedient. Die junge Frau stammt aus Ostfriesland und ist seit gut zwei Jahren zum zweiten Mal hier. Zwischenzeitlich war sie zwar mal zurück in Deutschland, aber nein, sie fühle sich hier wohler. Alles sei ruhiger und nicht so viele Menschen. Aber im Moment kämen sehr viele Deutsche, das würde auch die Immobilienpreise stark ansteigen lassen. Vor allem Impfgegner kämen und würden glauben, hier in Schweden ins „gelobte Land“ zu kommen. Das sei ziemlicher Blödsinn, meint sie, hier in Schweden sei die Impfquote relativ hoch, man diskutiere nicht viel, sondern mache es einfach und wer sich nicht impfen lassen wolle, das sei ok, der ziehe sich halt zurück. Sie selber sei geboostert.

Ich könnte mir hier gerade mal einen Café kaufen und die junge Frau mit meinen Fragen löchern, doch ich möchte Herbert nicht schon wieder im Auto warten lassen. Wasser gibt es im Moment leider keines, der Anschluss sei kaputt und eine Reparatur mache erst im Frühjahr Sinn. Und so verlasse ich den kleinen Laden mit ein paar Gebäckstücken für unsere Mittagspause.

Apropos Tankstellen: Hier in Skandinavien, mussten wir in noch keiner einzigen Tankstelle zum Bezahlen hineingehen. Jede Zapfsäule funktioniert erst, wenn ich meine Kreditkarte eingelesen habe, Pin eingeben und los geht es. Die Tankläden, wenn denn überhaupt einer da ist, sind nur noch Verkaufsstelle für Zubehör, Süßigkeiten, Café und Würstchen etc.. Und überhaupt, seit wir Deutschland verlassen haben, habe ich keinen einzigen Einkauf mehr mit Bargeld beglichen, in der Regel ging alles mit dem Handy, außer eben das Tanken, da braucht es eine Karte. Selbst für die Fährfahrten in Norwegen muss keine Buchung erfolgen. Die Kennzeichen werden beim Befahren der Fähre fotografiert und entweder man bekommt später in Deutschland die Rechnung mit der Post oder man hinterlegt an einer zentralen Stelle (ferrypay.no) seine Kontaktdaten mit Mailadresse und Kreditkartennummer und bekommt Stunden später die Rechnung nebst Abbuchung zugestellt. In diesem Fall sind die Fährtickets dann auch gleich um einiges billiger. Die Abbuchung für mautpflichtige Straßen oder Tunnel läuft auf ähnliche Weise ab.

 Wasser finden wir im 50 Kilometer entfernten Dikanäs. In diesem kleinen Örtchen wirkt die Welt wie stehen geblieben. Für uns geht es weiter. Wieder halten wir Ausschau nach einem Plätzchen für die Nacht, doch diesmal gibt es nicht einmal Stichstraßen in denen wir suchen könnten. Irgendwann entscheiden wir bis nach Vilhelmina durchzufahren. Dort soll es einen geöffneten Campingplatz geben und ich müsste mal wieder Wäsche waschen.

Als wir ankommen, sind wir die einzigen Camper-Gäste. Gegen 21 Uhr bauen zwei junge Männer neben uns ihr Zelt auf. Sie sind Teilnehmer der Baltic-Sea-Circle-Rallye und sind mit einem Fiat Panda unterwegs. Ich weiß nicht, was kleiner ist, der Fiat oder das Zelt. Draußen sind derzeit minus 12 Grad, es sollen minus 18 werden ... kann man machen ...