THE END

IMG_3379.JPG

Sonntag, 30.3.2020, 7 Uhr in der Früh. Ich sitze wieder auf meinem heimischen Sofa mit Tee und Laptop auf den Knien. Schritt für Schritt sind wir die letzten Tage Richtung Heimat gezuckelt. Zwei Nächte haben wir an der Elbe bei Wittenberge verbracht. Gestern waren wir noch in Vienenburg wandern und ich dachte eigentlich auch, dass wir dort noch einmal übernachten. Zurück im Wohnmobil stürze ich an den Herd, denn die drei Stunden haben hungrig gemacht. Während ich zubereite meint Herby nur so zu mir, dass wir doch nach dem Essen nach Hause fahren könnten. Schlafen im eigenen Bett. Als ob das im Womo nicht unseres wäre ;-). Nun, er weiß, dass ich nicht gerne im Laufe eines Tages nach Hause komme. Mir ist es lieber, am Abend heimzukehren und nur noch ins Bett zu fallen. Am nächsten Morgen fühlt sich dann alles so an, als wäre man nie weg gewesen. Gesagt, getan.

 Nun, ganz so fühle ich mich heute früh nicht. Eher ein wenig verloren auf der großen Fläche. Alex, Johanna und Anthea haben unsere Abwesenheit genutzt und sich hierher in Corona-Quarantäne verzogen. Ihre hinterlassenen Spuren bringen uns immer wieder zum Lächeln. Das macht es hier für mich gerade wohnlich. Nun sind wir wieder zurück und der heimische Alltag darf wieder einkehren. Mehl hatte ich von unterwegs aus bestellt, die Kammer sieht gut gefüllt aus, mein Sauerteig hat die Reise auch überlebt und Hefe habe ich aus Estland mitgebracht. Die Brot- und Brötchenproduktion kann wieder beginnen ;-). Welcome home.

Entscheidungen finden sich

IMG_3168.JPG

Unsere Zeit in Estland ist ruhig und für unsere Verhältnisse mit vielen Corona-Gedanken verbunden. So richtig entspannt lässt sich alles nicht mehr genießen, der Kopf ist stellenweise blockiert. Am besten geht es, wenn wir spazieren gehen. Gesagt getan. Wir laufen stundenlang durch die Gegend, in der Regel ohne nennenswert Menschen zu begegnen. Gleichzeitig sind mir meine Luxusprobleme unangenehm, haben doch sehr viele Menschen im Augenblick ganz andere Sorgen.

 Insgesamt verbringen wir  acht Tage in diesem kleinen aber wirklich sehr schönen Land. In erster Linie fahren wir entlang der Küste. Anfangs etwas orientierungslos, doch sobald klar ist, wies es weiter geht und feststeht, dass wir am 23.3. mit der Fähre ab Padliski nach Rügen ausreisen werden etwas gezielter.

 Nachdem wir erfahren hatten, dass es eine Fähre von Estland aus geht haben wir sofort beschlossen alle anderen Varianten zu vergessen. Beim Telefonat mit der Fährgesellschaft bekomme ich vier mögliche Termine genannt. Der erste wäre noch am gleichen Tag gewesen, doch so eilig hatten wir es nun auch wieder nicht. Andererseits wollte ich unsere Möglichkeiten nicht zu sehr ausreizen und so haben wir uns für die vorletzte Fähre entschieden.

Wir fahren zurück an die Küste, obgleich es im Landesinneren auch landschaftlich sehr schön und vor allem recht einsam ist. An der Küste gibt es einen großen Naturpark, den wir ansteuern und in Etappen ein wenig erkunden. Tallinn liegt zwar auch auf dem Weg, doch wir wollen das Zentrum meiden und machen nur einen kurzen Einkaufsstopp im Supermarkt, tanken an einer Tankstelle Wasser und machen einen Spaziergang außerhalb des Zentrums entlang der Kaimauer. Überall gehen die Leute spazieren, Eltern verbringen die Zeit mit Ihren Kindern und fahren Rad oder nutzen die Spielgeräte. Dabei ist ein jeder eher für sich. Die Straßen sind überschaubar befahren, auch hier eher Sonntagsstimmung und so kommen wir selbst zur Rushhour problemlos raus aus der Stadt weiter Richtung Paldiski.

Geisterfähre. Wir sind vier Kfz und vier oder fünf LKW auf der Strecke nach Sassnitz. Das Schiff, von außen eher hm... aber von innen wirkt alles sehr neu und sauber. Vermutlich aufgrund der Sondersituation gab es einen Pauschalpreis incl. Kabine und Mahlzeiten. 406 € kostet die Überfahrt, weniger als die schlechtere Kabine ohne Mahlzeiten auf dem Weg Travemünde – Helsinki.

 Auf Rügen suchen wir uns ein verstecktes Plätzchen für die Nacht bei Prora. Von nun an wollen wir in kleinen Etappen Richtung Heimat fahren. Wir genießen noch einen letzten Tag am Strand und Paula erfreut sich an langen Spaziergängen. Auf den Fähren ist ihr Radius ja doch eher eingeschränkt.

Am Morgen kommen wir mit einem Einheimischen ins Gespräch, der auch mit seinem Wohnmobil gekommen ist. Ein Rentner dreht eine Runde und schreibt sich fremde Kennzeichen auf, denn eigentlich sollen alle Touristen von der Insel runter. Wir hören, dass es schon skurrile Situationen gibt, so hat jemand an seinem Wohnmobil vor seiner eigenen Haustür einen Zettel kleben gehabt, wonach er endlich abhauen solle, er würde die Viren verteilen.

 Brav verlassen wir die Insel und fahren an den Kummerower See. Ein Stück Richtung Heimat aber wir wollen die Schritte auch nicht zu groß werden lassen. Bei der Stellplatzsuche fahren wir durch ein idyllisches endlos abgelegenes Nest und werden wir von einem Einheimischen auf 20 Meter Entfernung angepiept: ob wir denn nicht wüssten, dass wir hier nicht sein dürften und ob wir denn keine Nachrichten sehen würden, wo wir denn her kämen? Herbert: aus Russland. Er: Ja, so seht Ihr auch aus. Welcome to Germany.

 Der von uns avisierte Parkplatz ist gesperrt, alles steht unter Wasser und so ziehen wir von dannen. Private Ordnungshüter triggern mich

 Wir landen ein paar Kilometer weiter auf einem Parkplatz in Verchen. Hier mündet die Peene in den Kummerower See. Auch hier Idylle pur. Mitten in einem Vogelschutzgebiet werden wir am Morgen vom Vogelgesang geweckt. Keine Menschenseele hier. Zumindest das Kontaktverbot können wir problemlos einhalten.

Wie geht es weiter?

IMG_3134.jpeg

Heute geht es ein wenig hin und her. Vor dem Durchgang zum Fahrerhaus haben wir ein Stück Teppich liegen. Es ist ganz nass und wir mussten festellen, dass es irgendwo von hinten kommt. Da bleibt uns nichts anderes übrig als den gesammten „Keller“ leer zu räumen. Die Sonne scheint und wir breiten uns aus. Ausgerechnet heute scheint der halbe Ort hier spazieren gehen zu müssen, und ein jeder schaut sich unser Tun genau an. Nass, alles nass. Herbert kramt und trocknet während ich drinnen Teig für ein frisches Brot ansetze. Erst als ich am abwaschen bin, sieht Herbert frische Tropfen und wir kommen unserem Problem näher. Es ist die Frischwasserleitung an der sich eine Schelle leicht gelöst hat. Sie muss schon seit Wochen tropfen, denn beim Einpacken stellt Herby fest, dass ausgerechnet in der Kiste mit den Ersatzteilen das Wasser 2 cm hoch steht und Teile bereits anfangen zu rosten. Ok, damit haben wir aber zumindest die Ursache gefunden und behoben.

Wir packen alles wieder ein und fahren los. Unser Ziel die Grenze zu Lettland, um weiter Richtung Litauen zu kommen und ggf. in Klaipeda eine Fähre nach Kiel zu nehmen. Unterwegs rufe ich nochmal die Seiten der Deutschen Botschaften von Estland, Lettland und Litauen auf. Auf der estnischen Seite gibt es neue Informationen und ich entscheide bei der Botschaft anzurufen und nachzufragen. Ich habe Glück und bekomme sofort jemanden an die Strippe und die Dame schickt mir per Mail ganz aktuelles Material mit noch möglichen Verbindungen ins Ausland, sie glaubt nicht, dass wir über die Grenze kommen, kann es aber auch nicht mit Bestimmtheit sagen.

Der Mail entnehme ich, dass die Esten eine neue Fährverbindung eingerichtet haben, um den Warenverkehr aufrecht zu erhalten und LKW´s, die vor der polnischen Grenze festsitzen  von Sassnitz aus ins Baltikum zu bringen. Auf dem Weg nach Sassnitz nehmen sie auch Rückkehrer mit.  Ich rufe bei der Fährgesellschaft an und bekomme die Info, dass die Fähre alle zwei Tage fahren würde und wir per Mail eine Buchung vornehmen sollten. Spontan bleiben wir stehen und ändern unseren Plan, suchen uns einen Stellplatz für die Nacht und gehen erst einmal spazieren.

IMG_3160.jpeg

Estland

IMG_3074.jpeg

Die erste Nacht in Estland hatten wir kurz hinter der Grenze auf dem Hinterhof eines leerstehenden Hotelkomplexes an der Ostsee verbracht. Der Platz lag ruhig im Wald und nach 20/30 Metern war man am Strand. Hier konnten wir am Abend und am Morgen uns mit langen Spaziergängen erst einmal sammeln. Dieses permanente recherchieren und Nachrichten hören macht mich kirre und unruhig. Ich habe beschlossen nur noch ein paar offizielle Seiten vom Auswärtigen Amt zu besuchen, um zu beobachten, wie es sich mit den Grenzübergängen hier im Baltikum verhält und ansonsten das Internet „weg zu legen“.

Unser Wassertank ist ziemlich leer. Da ich das Bedürfnis nach etwas „Fahrruhe“ habe, wollen wir heute eine Möglichkeit zum Wasser tanken suchen und uns irgendwo an der Küste an einem sonnigen Plätzchen für zwei oder drei Tage niederlassen. Auf unserer Suche landen wir schließlich in Troila, einem kleinen, ruhigen, gepflegten Örtchen an der Ostsee. Wir steuern einen Parkplatz direkt am Strand an und sind leicht verunsichert, weil uns die Straße durch eine große Parkanlage führt. Doch wir fahren unbeirrt weiter und landen in der ersten Reihe an einem kleinen Minihafen.

IMG_3086.jpeg

Alles ist still und wirkt verlassen. Überhaupt überall herrscht so eine Art Sonntagsstimmung. Immer wieder kommen Spaziergänger vorbei. Menschen parken ihr Auto drehen eine Runde am Strand und ziehen wieder von dannen. Sozusagen nur mal kontrollieren, ob Meer und Strand noch da sind.

 Gleich hinter uns liegt der Oru Park. Rund 75 Hektar Land hat hier um 1900 ein Industrieller aus Sankt Petersburg zu einer Parkanlage mit üppigem Herrenhaus gestalten lassen. Im Zweiten Weltkrieg sind sämtliche Gebäude zerstört worden, doch die Parkanlage hat man wieder rekultiviert. Botaniker dürften hier ihre Freude haben, da viele Schilder auf besondere Baumarten hinweisen. Wir nutzen den Park für ausgiebige Spaziergänge und Joggingrunden, denn der Strand besteht hier nicht aus Sand, sondern aus dicken Kieselsteinen auf denen es sich schlecht laufen lässt.

 In den Jahren 2000 bis 2002 hat die Deutsche Kriegsgräberführsorge hier einen Soldatenfriedhof für die deutschen Gefallenen aus den Jahren 1939-45 angelegt. Der zweite Weltkrieg begegnet uns hier oben besonders häufig. Die Russen bezeichnen diesen Krieg als „Großen vaterländischen Krieg“. Es gibt zahlreiche Denkmäler und nicht zuletzt wird der 9.Mai als Tag des Sieges über den Faschismus groß gefeiert.

Es scheint die richtige Entscheidung gewesen zu sein, nach Estland auszureisen, denn nun schließt auch Russland bis zum 1.5.20 seine Pforten. Jetzt  haben wir endgültig das Gefühl, dass unsere Reisepläne sich erledigt haben, da wir unser Zeitfenster nicht nach hinten ausdehnen können. Keiner weiß, wie sich alles entwickeln wird und so beschließen wir die Reise abzubrechen.

 

Planänderung “Dank” Corona

IMG_3079.jpeg

Planänderung 17. März 2020

Lange ist es uns gelungen, uns nicht mit Corona zu befassen. Keine Tageszeitungen, kein Fernsehen, keine Sondersendungen, Social Media ist auch nicht so ganz unsere Welt, kurz um, nichts, was uns verrückt machen könnte. Doch mit jedem Tag kommt das Schreckgespenst Corana dichter und wir machen uns Gedanken um Familie und Büro.

Außerdem schließen sich so nach und nach alle Grenzen um uns herum. Unser nächstes Ziel heißt eigentlich Einreise nach Kasachstan. Bislang hieß es nur, wer aus Deutschland kommt darf zwar einreisen, muss sich jedoch verfügbar halten und dann wird die Grenze völlig und für jedermann geschlossen. Usbekistan hat seine Schotten bereits dicht gemacht.  

Für eine nördlichere Route zum Baikalsee sind wir jahreszeitlich einfach noch zu früh unterwegs, deshalb ja auch unser Plan über Kasachstan und Usbekistan in den Osten zu fahren. Da wir mit unseren restlichen 60 Visatagen für Russland haushalten müssen, haben wir gestern kurzerhand beschlossen, nach Estland auszureisen, bevor auch die Esten heute Ihre Grenzen schließen. Unser Visum erlaubt uns eine Mehrfacheinreise nach Russland und so können wir die verbleibenden 60 Tage später nutzen.

Hier werden wir vorerst verweilen und die nächsten Tage ggf. Wochen abwarten und sehen, wie sich alles entwickelt. Ich werde die Zeit nutzen, um meine Berichte von der „Eisfischertour“ mit Fotos zu versehen und hier im Blog zu veröffentlichen.

Ich hoffe der Spuk ist bald vorüber und ihr/wir alle bleiben gesund.