Lofoten

Ich sei wie ein Staubsauger, sagt zumindest Herbert und erfreut sich daran, wie ich alles um mich herum aufsauge, die Leute anquatsche, ihnen Fragen stelle und so in kleine Gespräche mit den Menschen hier komme.

 

Auf einem der letzten Stellplätze in der Marina in Lødingen ergab sich ein Gespräch mit einem Deutsch-Norweger. Unsere Hunde toben gemeinsam durch den frischen Schnee und getreu dem Motto aus Ina Müllers Song „Hätt ich´n Hund, hätt ich´n Grund“ ergab sich das Gespräch. Wohnmobil mit norwegischem Kennzeichen dazu perfekte deutsche Aussprache machen mich neugierig.  Der Herr, der fleißig um sein Wohnmobil herum Schnee schiebt, ist zur See gefahren und nun im Ruhestand. Seine Frau arbeitet noch im örtlichen Krankenhaus von Lødingen, sie haben ihren Hof ganz in der Nähe dem Sohn übergeben und sind ins Wohnmobil gezogen. Freie Tage verbringen sie mit Kurzreisen und in zwei Jahren soll es dann auf große Tour gehen. Anschließend soll es wieder aufs Boot gehen und das Reisen entlang der norwegischen Küste fortgesetzt werden. Konkrete Pläne, ich wünsche ihnen gutes Gelingen. Wir quatschen noch ein wenig und beide versorgen uns noch mit Tipps für Stellplätze und mit Warnhinweisen hinsichtlich des Straßenverkehrs im norwegischen Winter.

Schmale Zufahrt zur Marina. Auf dem Hinweg streifen wir die Stromleitungen.

 

Von Lødingen aus geht es für uns nach Hanøy, also auf die Lofoten. Hier verläuft auch in etwa die Grenze zu den Vesterålen, der Inselgruppe nördlich der Lofoten. Wir stellen uns auf den Parkplatz des Fähranlegers und erkunden die Umgebung. Rund zehn Häuser liegen in der Bucht, von denen zwei oder drei den Eindruck erwecken, bewohnt zu sein. Bei den übrigen brennt zwar Licht aber der hohe Schnee rund um das Haus zeigt klar, dass hier seit längerem niemand ein- und ausgegangen ist. Wie übrigens bei ganz vielen Häusern entlang der Küste.

 

Am frühen Abend baut Herbert mir meine Outdoorküche auf. Ausgerechnet jetzt kommen drei oder vier Autos, drehen und fahren rückwärts quasi in eine Schlange. Kurz darauf kommt tatsächlich eine Fähre, die Autos fahren rückwärts drauf und ab geht es. Nun ist es wieder ruhig um uns herum und ich kann kochen, ohne damit jemanden zu stören.

 

Die nächste Tagesetappe ist ganze 7 Kilometer lang und geht ein kleines Stück wieder zurück. Ich möchte gerne eines der Schiffe der Hurtigruten vorbeifahren sehen und recherchiere im Internet, wann welches Schiff evtl. in unserer Nähe entlang fährt. Wir fahren an den Raftsundet und finden ein super Plätzchen in der ersten Reihe am Wasser. Die Nordnorge müsste am Nachmittag gegen 16/16.30 Uhr südgehend hier vorbei kommen. Bis dahin machen wir noch einen ausgiebigen und schönen Spaziergang ins Hinterland nach Kongsmark.

 

Im Internet verfolgen wir die Nordnorge und wie nicht anders zu erwarten, schippert sie pünktlich an uns vorbei. Zehn Minuten, viel länger dauert das Beobachtungsvergnügen nicht, dann ist es wieder außer Sichtweite. Vor sieben Jahren haben wir diese Passage aus anderer Perspektive erlebt und die Berge vom Wasser aus bestaunt.

 

Am Abend zocken wir gerade eine Runde, als meine Aurora-App Nordlichter verspricht. Wir blicken raus und freuen uns, dass der Himmel nicht bewölkt ist. Warm angezogen springen wir aus dem Womo und erleben ein Konzert der Nordlichter, wie wir es bisher noch nicht erlebt haben. Gut eine Stunde stehen wir draußen und bestaunen das Naturschauspiel. Zeitgleich sehen wir auch, wie sich der Himmel immer mehr mit Wolken zuzieht und damit die Lichter aus unserem Sichtfeld verschwinden. Ein wunderbarer Tag.

 

Unser nächstes Ziel ist Svolvær. Wir beschließen die Etappe zu verlängern und fahren die kleinen Straßen entlang der Küste ab. Auf google Maps entdecke ich etwas, was mich neugierig macht und so lotse ich Herbert nach Laukvika, in ein abgelegen wirkendes Nest. Wir parken am Hafen und gehen auf Erkundungstour. Laukvika ist einer der Orte an dem der beliebte Stockfisch hergestellt wird. Was ich auf google maps gesehen habe, sind die vielen hölzernen Trockengestelle, die hier entlang der Küste stehen und auf denen der Kabeljau getrocknet wird. Hier werden jedoch nur die Köpfe der Fische getrocknet. Der restliche Fisch wird abtransportiert und anderweitig verarbeitet. Wir laufen an den Gestellen entlang und es riecht stark nach Fisch. Nur noch ein Gestell ist zum kleinen Teil mit den Köpfen bestückt. Ich lese nach und finde heraus, dass die Köpfe ca. drei Monate an der Luft trocknen, bevor sie nochmal drei Monate in eine Trockenkammer kommen. Anschließend werden sie bevorzugt nach Afrika, Nigeria verkauft, wo sie heiß begehrt sind. Wir sehen, wie Arbeiter die Köpfe auffädeln und anschließend an den Gestellen aufhängen. Die Massen erschrecken uns ein wenig.

 

Paula kommt zurück ins Auto. Zu Beginn unserer Erkundungstour haben wir ein kleines Café am Hafen gesehen, das wir nun ansteuern. Hunde sind in den Innenräumen in der Regel nicht erwünscht. Es ist gut voll hier und wir suchen uns ein Plätzchen am Fenster. Beim Bestellen stellt sich heraus, dass der Herr hinter der Theke aus Deutschland kommt. Später als der Café getrunken und die frische Waffel mit Blaubeereis vertilgt sind, kommen wir noch miteinander ins Gespräch. Arbeitslosigkeit in Deutschland hat ihn vor 12 Jahren eher unfreiwillig nach Norwegen und später dann auf die Lofoten gespült. Heute möchte er hier nicht mehr weg. Er schätzt die ausgesprochen ehrliche, respektvolle Art der Norweger miteinander. Zwei junge Frauen am Tisch neben uns beteiligen sich am Gespräch, sie haben in Deutschland bzw. in Frankreich ihre Jobs an den Nagel gehängt und arbeiten ebenfalls jetzt hier oben im Tourismusbereich.

 

Wir quatschen noch eine ganze Weile miteinander, bevor wir wieder aufbrechen. Der Tag ist heute primär grau, es schneit immer wieder und der Wind pustet auch ordentlich. In Svolvær müssen wir feststellen, dass heute Muttertag ist und demzufolge kein einziges Geschäft geöffnet hat. Wir streifen durch verlassene Straßen und ziehen weiter. Am Ortsausgang ist doch noch ein Supermarkt geöffnet. Es gibt jedoch nur eine Art Notsortiment auf kleinem Raum zusammengestellt, eine Kasse, der Rest ist abgesperrt. Wir kaufen ein paar Kleinigkeiten und suchen uns auf dem Parkplatz des Lofoten Museums ein Eckchen zum Übernachten. Das Museum hat die nächsten zwei Tage noch geschlossen, da dürften wir nicht weiter stören. Die ganze Nacht über schneit und stürmt es. Der Wind rüttelt am Wohnmobil, obwohl wir es schon gut in den Wind gestellt haben.

 

Neben park4night, google maps, vegvesen, sind vor allem die norwegische Wetter App „YR“ und der Windfinder meine meistgenutzten Planungshilfen. Das Wetter ändert sich hinter jeder Kurve, hinter jedem Tunnel so schnell, dass nichts sicher ist. Da viele Inseln mit Brücken miteinander verbunden sind, die zum Teil auch sehr hoch sind, müssen wir den Wind stets mit im Blick haben. Der Satz „Ist auf den Lofoten das Wetter schlecht, dann warte 5 Minuten“ ist sehr zutreffend.

 

Wir fahren weiter auf der E 10 und verlassen sie wieder, um nach Henningsvær abzubiegen. Einen Kilometer vor dem Ort lassen wir unser Womo in einer Parkbucht stehen und stapfen zu Fuß weiter. Venedig der Lofoten wird das Dorf auch genannt, da es mit vielen Kanälen durchzogen ist. Sonne und dichtes Schneetreiben wechseln sich den ganzen Tag über ab. Wir erkunden jede Straße, erstehen im Supermarkt noch zwei Gebäckstücke, bevor wir uns zwei Stunden später wieder zum Wohnmobil aufmachen. Mit Blick aufs Wasser gibt es Café und Kuchen. Anschließend geht es weiter. Auf einer Halbinsel wollen wir uns ein Plätzchen für die nächste Nacht suchen.

 

Wir überfahren heute die Gimsøystraumen Brücke. Ein paar Kilometer vor der Brücke beginnt dichtestes Schneetreiben und wir sehen so gut wie nichts. Auf einmal bekomme ich Schnappatmung: „Elche“, das waren Elche, eben am Straßenrand. Herbert kann nicht anhalten, hinter uns ist Verkehr. Kurz vor der Brück ist ein großer Parkplatz, Herbert dreht und wir fahren die ein oder zwei Kilometer zurück. Tatsächlich stehen am rechten Fahrbahnrand drei Elche und reißen ordentlich am Gebüsch herum. Nun ist die Straße frei und wir können in Ruhe anhalten und die drei beobachten. Sie lassen sich nicht stören von uns, was mich überrascht, denn eigentlich sind es sehr scheue Tiere. Die drei sind bestimmt als Erlebnisfaktor für Touristen dort platziert. Begeistert drehen wir wieder um und folgen unserem Weg. Das Schneetreiben hat sich inzwischen wieder aufgelöst -schließlich sind fünf Minuten um- und wir können die Brücke richtig sehen, bevor wir über sie hinweg fahren. 

 

Irgendwie vergessen wir hinter der Brücke gleich die E10 zu verlassen, um die Halbinsel zu umrunden. Dabei stehen wir kurz genau an dem Abzweig, um das Foto von der Brücke zu machen. Egal, sagen wir uns, umrunden wir eben die Nächste. Tatsächlich müssen wir sie wirklich fast ganz umrunden, bis wir ein Plätzchen finden. Ziemlich exponiert stehen wir in Vestersand mitten auf dem Kai. Ich habe jedoch vorher im Ort gefragt, ob wir dort wohl stehen könnten für eine Nacht. Kein Problem hat man mir versichert.

 

Gut ausgeschlafen, ich schlafe hier standartmäßig bis acht, das sollte mir mal zuhause passieren, geht es weiter. Von nun an gibt es kaum noch Rundwege, die wir fahren können, sondern nur noch Stichstraßen, die von der E10 abgehen, die wir aber auch wieder zurück fahren müssen. Wir erkunden viele Ecken und genießen die vielen atemberaubenden Ansichten, die sich permanent ergeben. Jede Tageszeit hat ihr ganz eigenes Licht, Wolken ziehen, der Wind treibt sie ordentlich voran und die Sonne bringt den Schnee zum Glitzern.

 

Es gibt wenig zu berichten, es „passiert“ nichts Besonderes, es gilt „nur“ zu genießen....

 

Auf diese Weise fahren wir Stück für Stück weiter Richtung Süden auf den Lofoten. Unser Plan ist, ab Moskenes die Fähre rüber aufs Festland, nach Bodø zu nehmen. Je weiter wir südlich fahren, desto „enger“ wird es. Die Inseln werden immer kleiner, die Stichstraßen kürzer aber auch die Touristen werden mehr und mehr. Es fallen die vielen Mietwagen auf, die hier umher fahren. In erster Linie Hobbyfotografen, die überall ihre Stative aufstellen und die endlosen magischen Momente auf ihren Chipkarten festhalten wollen. In den Reiseführern kann man genau nachlesen an welcher Koordinate man welches Motiv am besten ablichten kann. Neben den Fotografen sind es die Surfer, die sich trotz der eisigen Temperaturen auf ihre Bretter stellen und hier von Strand zu Strand tingeln.

 

Unser ganz persönliches Lofoten-Fazit ist: Landschaftlich ein absoluter Traum doch wir mögen uns gar nicht vorstellen, was hier im Sommer los ist und was das für die Einheimischen bedeutet. Nicht ohne Grund trifft man hier unten auch schon viele „Camping verboten“-Schilder an.

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