Nordrussische Dörfer

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Wir fahren an manchen Tagen rund 200 bis 300 Kilometer und kreuzen dabei keine einzige Stadt, sondern kommen nur an teils verlassenen Dörfern vorbei. Nicht immer ist klar zu erkennen, welche Häuser noch bewohnt und welche dem Verfall preisgegeben sind.

 Je nach Lage der Dörfer leben mal nur noch eine Handvoll Menschen dort oder auch mehrere Hundert. In der Masse eher Rentner aber auch alle anderen Altersgruppen. Junge Menschen wandern ab in die Städte, das Leben auf dem Land ist hart. Holzwirtschaft ist der Ursprung der heimischen Wirtschaft, alles andere wie Geschäfte, Dienstleistungen rund um Auto- und Maschinenreparaturen, Lehrer, was so im Alltag gebraucht wird, siedelt sich drum herum an. Aber, wenn es das alles gibt, sprechen wir hier schon eher von einer Stadt.

 Stehen wir mit unserem Mobil in einem Naturpark, so gibt es hier zahlreiche kleinere Arbeitsplätze im Tourismus. Fast in jedem Garten steht ein kleines Gewächshaus und auch ansonsten lebt man hier von dem, was die Natur zu bieten hat und was wir im Westen schon lange verlernt haben zu nutzen. Wer von uns kocht und legt noch ein, was Garten und Wald hergeben? Auch das Fischen und Jagen gehört zum Alltag und dient der Versorgung. In diesem Mikrokosmos der Dörfer ist das alles noch sehr gut zu beobachten.

 Ich stelle fest, dass zu einem Dorf neben der Ansammlung von, sagen wir mal mindestens drei Häusern, ein ausgewiesener und beschilderter Fußgängerüberweg gehört, dazu noch eine überdachte Bushaltestelle und eine kleine blaue Telefonstation. Erst wenn das letzte Haus einer Siedlung unbewohnt ist, dann wird auch das Telefon abmontiert und zurück bleibt die blaue Schale.

 Der Unterschied zwischen Stadt und Land kann kaum kontrastreicher sein. Bezahle ich in der Stadt meinen Einkauf im Supermarkt kontaktlos mit meiner Kreditkarte, muss auf dem Land das Wasser in Eimern aus dem nächsten Brunnen, dem See oder dem Fluss geholt werden. Geheizt wird vielfach mit Holz oder aber es stehen auch in den Dörfern kleine Fernwärmeanlagen, die gleich das ganze Dorf versorgen. Die Häuser, auch Mehrfamilienhäuser auf dem Land, haben Strom aber keine Kanalisation. Mit etwas Glück ist das Plumpsklo gleich ins Haus integriert und es entfällt der kalte Weg über den Hof. In einem Dorf ratterte Tag und Nacht ein Stromgenerator, der das Dorf mit Elektrizität versorgte. Der Krach glich einem sich im Landeanflug befindlichen Flugzeug, das nur leider nie den Weg auf den Boden fand, sondern die ganze Nacht über uns kreiste. Vermutlich hört man das irgendwann nicht mehr.

 Einen kleinen Einblick in so ein Haus auf dem Lande bzw. einer Kleinstadt hatten wir beim Besuch von Sophia und Walentina in Pinega. Im Vorgarten reichte der Schnee bis zu den Fenstern. Ein schmaler Pfad von Haustür zur Straße war freigeschoben. Im Eingangsbereich waren Holzvorräte gestapelt und Langlaufskier standen an der Wand. Zwar gab es Strom, doch kein fließendes Wasser. Die Toilette war ein Plumpsklo. Im Wohnzimmer gab es einen großen Ofen, der vom Flur aus befeuert wurde und in ihrer kleinen Küche standen zwei Tiefkühlschränke und einen großer Kühlschrank. Die TK-Schränke waren randvoll mit gesammelten Beeren und Gemüse. Gekocht wurde ebenfalls auf einem holzbefeuerten Ofen. Das Schlafzimmer war eine kleine, vom Wohnzimmer mit einem Vorhang abgetrennte Kammer.